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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Ilg, Albert: Mathias Steinle
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Boeheim, Wendelin: Der Hofplattner des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, Jakob Topf und seine Werke
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0308
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272

Wendclin Boeheim.

Ausstellung zu sehen war. Einen Anhaltspunkt für den Beginn des Codex in dem Besuche Englands
durch den Herzog Johann von Finnland 1559 zu rinden, dürfte kaum zulässig sein, weil sich dieser
Prinz, der erst 1568 den schwedischen Thron bestieg, ganz wohl einen Harnisch zu einer späteren
Zeit, also zwischen 1562 und 1568, von seiner Residenz aus bestellt haben kann. Uns erscheint selbst
der Harnisch des Earl of'Rutland später als 1563 gefertigt, obwohl manche auf eine jüngere Periode
deutende Eigenthümlichkeiten in der Zeichnung auf Rechnung des späteren Zeichners zu setzen sein
können. Es veranlasst uns diese Ansicht dazu, diesen ältesten Harnisch in Abbildung (Fig. 3) zu
bringen.

Für das »ad quem« des Codex, das uns bei unseren Ausführungen nicht weniger wichtig er-
scheinen muss, sind die Detailformen der Harnische allein massgebend und da muss mit aller Bestimmt-
heit ausgesprochen werden, dass keiner der dargestellten Harnische später als 1575 gefertigt worden ist.

Auch in den Figuren des Codex ist der italienische und speciell mailändische Einfluss unverkenn-
bar. Der Schnitt der Leibtheile hat eine frappante Aehnlichkeit mit mailändischen Prunkharnischen
um 1575, wie z. B. mit der in der kaiserlichen Waffensammlung zu Wien (XXX, 572) befindlichen
Harnischgarnitur des Don Juan d'Austria, der bekanntlich 1577 aus dem Leben schied.

Fassen wir nun alle gewonnenen Daten, sowohl diejenigen aus dem Leben des Meisters Jakob
Topf als auch jene, welche sich aus der Betrachtung und dem Studium des Bildcodex ergeben haben,
zusammen, so zeigt sich, dass beide in der Zeit wie in den begleitenden Umständen zu einander stimmen
und in uns den Gedanken erwecken müssen,_ob wir in dem Meister Jacobi nicht unseren Innsbrucker
Plattner Jakob Topf zu erblicken haben.

Nichts widerspricht dieser Vermuthung sondern Alles weist auf Letzteren hin. Erwägen wir zu-
nächst die Abhängigkeit, in welcher die englische Waffenindustrie im Materiale sowohl als aifch in den
arbeitenden Kräften damals von Tirol und Innerösterreich gestanden ist, und die innigen Wechsel-
beziehungen zwischen London und Innsbruck, welche sich nachweisbar daraus ergeben haben, die
aus den Archivalien erwiesene lange andauernde Thätigkeit der Innsbrucker Hofplattner Seusen-
hofer für König Heinrich VIII. und seinen Hof, weiters die erwiesene Beschäftigung Innsbrucker
Waffenschmiede in England bis ins XVII. Jahrhundert hinein, dann können wir uns der Annahme
wohl näher zuneigen, dass man nach dem Ableben Jörg Seusenhofer's, das mit dem Zeitpunkte des
Antrittes der Regierung der Königin Elisabeth zusammentraf, in England bestrebt war, für den
dahingegangenen Meister einen ebenbürtigen Ersatz zu finden und womöglich diese neue Kraft im
Lande selbst zu verwenden. Da tritt uns der Meister Jakob Topf entgegen, der einer Innsbrucker
oder doch Tiroler Familie entstammt, in seinen Werken, ungeachtet merkbarer italienischer Einflüsse,
doch die Innsbrucker Schule deutlich erkennen lässt, denselben Namen wie der Meister aus Greenwich
trägt und dessen Existenz in Tirol in der Zeit bis 1575 nirgends nachzuweisen ist. In diesem Jahre
tritt er aber mit einem Male in der angesehenen Stellung eines Hofplattners des Erzherzogs Ferdinand
entgegen. Daraus lässt sich vermuthen, dass unser Meister nach Jörg Seusenhofer's Tod Innsbruck
verlassen, nach Italien gezogen und dort gearbeitet, um 1562 aber sich nach England begeben hatte,
wo er in der Stellung eines Master Workman zu Greenwich auftritt. Sein in England gewonnener
Ruhm dürfte den Erzherzog veranlasst haben, ihn als seinen Unterthan unter Zusicherung namhafter
Vortheile zu sich zu berufen und ihn an seinem eigenen Hofe zu beschäftigen; so sehen wir ihn denn
von 1575 an in Innsbruck in voller Wirksamkeit und mit kunstreichen Arbeiten beschäftigt, welche
eine volle Meisterschaft erkennen lassen. Diese hier theils beschriebenen und abgebildeten späteren
Werke verrathen ganz dieselbe Hand wie jene, welche in dem genannten Codex dargestellt und von
welchen noch Originale in verschiedenen Waffensammlungen Englands vorhanden sind. Der Harnisch
des Earl of Worcester steht im Tower, jener des William Pembroke wird in Wilton, jener des
Lord Buckhurst in der Wallace Collection in Hertford House, der des Earl of Cumberland in
Appleby Castle bewahrt. Der Harnisch Sir Hatton's wurde in der Spitzer'schen Auction zu Paris um
L. 2080 versteigert. Die Harnische W. Pembroke's und des Earl of Cumberland waren auf der
Tudor-Exhibition 1890 zu sehen.
 
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