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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0057
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5o

Friedrich Kenner.

Um diess noch zu berühren, können endlich unsere Miniaturen, da sie 1568 auf 1569 entstanden,
sich nicht unter jenen fünf Porträten (Caterina de' Medici, Karl IX., Herzog von Alencon, Heinrich III.
und Marguerite de Valois, Schwester Heinrich II.) befunden haben, welche vor dem 1. Jänner 1560 an
Königin Isabella von Valois, zweite Gemahlin Philipp II. von Spanien, gesendet wurden.1 Dies sei er-
wähnt, weil H. Bouchot die Vermuthung aussprach, dass sich dieselben noch in Madrid oder in Wien
finden möchten; in unserer Sammlung sind sie nicht vorhanden.

Das zweite, kleine Bildniss des Königs Karl IX., das sich in unserer Sammlung befindet, ist schon
in dem ersten Theile dieser Publication unter den Porträten des Erzhauses veröffentlicht worden.2 Es
ist eine rohe Copie nach einem gleichfalls von Clouet gemalten Originale, welches in Alter und Klei-
dung unserer Miniatur und dem Porträte im Besitze des Herzogs von Aumale3 am nächsten steht und
nur durch die dunkle Färbung der Hautfarbe, namentlich der Schatten, den Eindruck eines etwas
höheren Alters macht.4

Das Bildniss der Gemahlin des Königs Karl IX., Erzherzogin Elisabeth, Tochter des Kaisers
Maximilian IL, geboren 5. Juni 1554, vermählt durch Procuration in Speyer am 22. October und mit
dem Könige selbst zu Mezieres am 20. November 1570, ist unter den Bildnissen des Erzhauses in Ab-
bildung mitgetheilt worden.5 Es ist dem Gemälde im Louvre6 von Clouet, der seine Farbenstiftskizze
sorgfältig auf die Leinwand übertrug, wohl im Allgemeinen nach der Wendung und den Gesichtszügen
ähnlich, in der Kleidung aber völlig verschieden und scheint nach der Malweise auf das Original eines
anderen Meisters zurückzugehen. Es sei hiezu erwähnt, dass am 15. Februar des Jahres 1570, in
welchem die Vermählung stattfand, der venezianische Gesandte Giovanni Michiel aus Prag an den
Dogen Loredano berichtete, der Kaiser habe einen französischen Maler, der vom Könige (Karl IX.)
mit dem Secretär Villaroe (auch Villeroe geschrieben) nach Prag gesendet war, die Gunst erwiesen, ihn
in die Kammer der Prinzessin Isabella zuzulassen, um sie mit grösserer Bequemlichkeit
porträtiren zu können; Villeroe solle das Porträt nach Frankreich mitnehmen. Der Maler ist nicht
genannt.7 Das Porträt selbst, das jugendliche Alter — Erzherzogin Elisabeth hatte damals das 16. Lebens-
jahr noch nicht vollendet — sowie die Art der Kleidung, die mit Clouet's Porträt nicht übereinstimmt
und kaum als französisch betrachtet werden darf, würden darauf führen, dass unser obengenanntes
Bildniss mit der in Prag hergestellten Aufnahme zusammenhänge.8

Wahrscheinlich hat eben damals in Prag der französische Künstler auch den Kaiser Maximi-
lian II. nach dem Leben porträtirt und jene farbige Zeichnung hergestellt, die sich jetzt in Paris be-
findet und von Niel publicirt ist.9 Auch sie scheint keineswegs aus Clouet's Hand zu stammen, was als
Beweis gelten kann, dass der damals nach Prag gesendete französische Contrefaiter nicht Clouet selbst
sondern einer seiner Schüler war.

1 Bouchot, Les Clouet, p. 32, Note 2.

2 Jahrbuch XIV (1893), S. 135, Nr. 211.

3 Abgebildet in der spanischen Uebersetzung von Forneron, Philippe II, Ausgabe in einem Bande, S. 228.

4 Die Verschiedenheiten der hier besprochenen drei Bildnisse des Königs: A (Collection Aumale), B (unsere Miniatur,
oben Nr. 168) und C (das Bild aus der Ergänzung des Stammbaumes) sind so geringfügig, dass sie die Benützung des-
selben Originales nicht ausschliessen. A hat am Rocke keine Knöpfe, wohl aber B und C. Die Hutschnur besteht bei A
und B aus denselben Kleinoden, während bei C zwischen den Kleinoden je drei Perlen angebracht sind. A, B und C haben
dieselbe Kette, nur dass sie in C breiter ist. Die Ohrgehänge, welche A und B zeigen, sind bei C nicht wahrnehmbar.

! Jahrbuch XIV (1893), S. 170 und Taf. XII, Fig. 210.

6 Farbige Zeichnung bei Niel (Tome I), Bouchot, Portraits, p. 157, und Gazette des beaux-arts 1887, II, p. 473, mit
Abbildung; vgl. Les Clouet, p. 23. Das gleiche Bildniss bringt im Gegensinne Delpech (Tome I, Buchstabe E) aus dem
Musee royal de France.

7 Jahrbuch XV (1894), Regest 11889.

8 Wahrscheinlich war das in München vorhanden gewesene Bild Fickler, Inv.-Nr. 3084 (v. Reber II, 27) nach un-
serem gemalt.

9 Bd. I, ohne Tafelnummer. Die irrige Bezeichnung als Heinrich II. auf der Tafel ist am Schlüsse des Textes des
I. Bandes richtiggestellt.
 
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