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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0068
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

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fuhrung ist überaus sorgfältig. Die gleichen Merkmale finden sich in mehreren unserer Porträte,1 von
denen das des Filippo Strozzi für uns das wichtigste ist. Eine farbige Zeichnung desselben wird von
P. G. J. Niel dem Pierre Dumonstier zugeschrieben, gewiss mit Recht. Aber diese Zeichnung ist nur
eine Copie nach einer älteren Aufnahme, wie dies theils ausdrücklich bestätigt wird (vgl. unten,
Nr. 211), theils daraus hervorgeht, dass die Originalaufnahme spätestens zu Anfang 1582 entstanden
sein muss, als Pierre erst etwa 20 Jahre alt war. Es ist wahrscheinlich, dass er eine Aufnahme seines
Vaters, Etienne Dumonstier, copirte, der nach seinem Grabsteine in St. Jean en Greve am 23. October
i6o3 im 83. Lebensjahre gestorben ist, nachdem er 50 Jahre als Maler den Königen Heinrich IL,
Franz IL, Karl IX. und Heinrich III. gedient und Porträte von Herren und Damen des Hofes ge-
zeichnet hatte.2

Unser Bild stellt Andelot etwa im 45. Lebensjahre, also um 1566, dar. Auch das Bild in Ver-
sailles stammt aus dieser Zeit, jenes vom Haag ist vielleicht einige Jahre jünger. Jener Dumonstier,
der das eine gemalt und von dem die Zeichnung des andern herrührt, kann nur Etienne gewesen sein,
da Pierre etwa um 1560 erst geboren wurde. Auch die anderen, obengenannten Porträte unserer
Sammlung, die in der Malweise mit dem vorliegenden übereinstimmen, sind, wie wir sehen werden,
um 1564, 1570, das jüngste spätestens 1582 entstanden,3 also zu einer Zeit, in welcher Pierre noch
kaum als selbstständig ausübender Künstler gedacht werden kann.

179. Saint-Andre, Jacques d'Albon, Marschall von,

Sohn des Jean dAlbon und der Charlotte de la Roche, machte seine ersten Kriegsdienste unter Graf Enghien
(Nr. 192) in der Schlacht von Ceresola (1544), wurde Generallieutenant in der Dauphine und in Savoyen, 1547
Marschall und kämpfte 1552 unter Anne de Montmorency (Nr. 204). Hierauf zum General der Armee in der
Picardie befördert, stand er in den Religionskriegen auf Seite der Katholiken und nahm Poitou ein, fiel aber in
der siegreichen Schlacht bei Dreux am 15. December 1562. Er war mit Marguerite de Lustrac vermählt.

Zierliche Goldschrift: MARESCHALCVS SANCTI ANDRERE. Brustbild rechts, im Dreiviertelprofil,
mit grossen dunkelblauen Augen, Brauen, Haupthaar und der kurze schmale Vollbart blond, gerade
Nase, kleiner voller Mund; auf dem Kopfe schiefsitzend ein niederer, weiter Hut mit schmaler Krämpe
und weisser Feder auf der linken Seite, in lichtgrauem, mit Goldstreifen geziertem Rocke, der Steh-
kragen mit weissem Bändchen gebunden und etwas offen, die Halskrause schmal. Grund dunkelgelb-
grau. — Katalog Nr. 83g.

In den Handzeichnungen von Howard Castle4 erscheint ein Bildniss als »St. Andre le jeune«5
bezeichnet, welches dem vorliegenden im Antlitz, in der Tracht und Wendung gleich ist; nur der
Kinnbart ist in der Zeichnung etwas länger und am geschlossenen Halse des Rockes sind kleine Knöpf-
chen sichtbar. Sehr wahrscheinlich steht damit in einem Zusammenhange das gleiche Gemälde in
Versailles aus dem Musee Royal, an welchem übrigens auch ein vom Nacken über die Brust herab-
hängendes Schnürchen angegeben ist, das in unserer Copie fehlt.6 Das Original ist nach der Art der
Kleidung und dem Alter von etwa 3o Jahren wohl vor dem Jahre 1547 entstanden und scheint auf
einer (gezeichneten?) Originalaufnahme von Francois Clouet zu beruhen.

180. Bellegarde, Roger de Saint-Lary, Seigneur de,

älterer Sohn des Pierre de Stain-Lary, Baron de Bellegarde, und der Marguerite d'Orbessan, begann seine kriege-
rische Laufbahn im Jahre 1556 unter Marschall des Termes, war 1557 unter Brissac bei der Belagerung von Val-
feniera und Chierasso und machte 1558 den Feldzug in Flandern mit. Von 1567—1570 Oberst eines italienischen

1 Gaspard II. Coligny (Nr. 185 A), Francois de Montmorency (Nr. 206, 207), Damville (Nr. 188, 189) und Filippo
Strozzi (Nr. 211).

2 F. Reiset, Notice des Dessins du Louvre II, p. 3oo f. Die Handzeichnungen des Etienne Dumonstier verkaufte sein
Sohn Pierre gelegentlich seiner Reise nach Flandern an Erzherzogin Clara Isabella Eugenia.

3 Etienne wird in Rechnungen der Jahre 1569, 1570, 1577, 1584 und noch 1590 genannt.
* Ronald Gower I, 110.

! So benannt zum Unterschied von dem älteren (Jean) de St. Andre, Vater unseres Jacques, welcher 1550 mit
75 Lebensjahren starb. Ein Bildniss des Jean de St. Andr£, von dem älteren Clouet (Jehan) 1525 (d. i. im 50. Lebensjahre)
gemalt, hat Henry Bouchot nachgewiesen (Gaz. des beaux-arts 1887, I [2. Periode, Tome XXXVI], p. 118).

6 Gal. hist. de Versailles, Suppl. Tome V (ohne Tafelnummer).
 
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