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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0070
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

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geschnittene Vollbart grau, hohe Stirne, breite Backenknochen, mageres, unten kurzes Gesicht, die
Ohren gegen oben spitzig zulaufend, lange, am Ende breite Nase, die Oberlippe etwas eingesunken;
auf dem Kopfe ein niederer, in Falten gezogener schwarzer Hut mit schmaler Krampe, um welche eine
Kette von Kleinoden (dunkle Steine in geperlter Goldfassung) gelegt ist, in schmaler Halskrause und
lichtrehfarbigem Camisol, mit einer Reihe gepresster Goldknöpfe und weiss unterzogener Ausschnitte,
um die Brust ein Goldschnürchen (die angehängte Decoration nicht mehr sichtbar); das faltige Ober-
kleid mit massig hohem, aufgestellten Kragen schwarz. Grund grau. ■— Auf der Rückseite des Holz-
täfelchens steht in alter Cursivschrift: Dn de Boyj'sy. — Katalog Nr. 834.

Das uns unbekannte Geburtsjahr spätestens um 1507 ansetzend, darf man die Entstehung des
Originales, da Boisy hier als ein Mann von etwa 60 Jahren erscheint, um 1565 annehmen. In Ver-
sailles erscheint er unserem Bilde sehr ähnlich.1 Wahrscheinlich also besteht zwischen beiden Darstel-
lungen ein innerer Zusammenhang und liegt ihnen dasselbe Original zu Grunde. Dass das vorliegende
kleine Gemälde zu den besten unserer Reihe gehört, ist schon oben (S. 34) hervorgehoben worden.

182, 183. Karl von Bourbon-Montpensier,
der jüngere Sohn Gilberts von Montpensier2 und der Chiara, Tochter des Markgrafen Federico Gonzaga von
Mantua, geboren am 17. Februar 1489, nahm 1507 an dem Zuge gegen Genua und 1509 an der Schlacht von
Agnadello theil, wurde 1513 dem Könige von Navarra gegen Aragon zu Hilfe geschickt, kämpfte 1513 gegen die
Schweizer in Burgund und wurde von König Franz I. bei seiner Thronbesteigung (1515) zum Connetable von
Frankreich ernannt. Nach der Schlacht von Marignano (1515) war er durch einige Zeit als Statthalter in Mai-
land thätig und wurde hierauf nach Frankreich zurückberufen. Durch prunkvollen Hofhalt, seinen Reichthum
und seine Macht dem Könige verdächtig geworden, verlor er 1522 durch Richterspruch den grössten Theil seines
Besitzes, der aus der Erbschaft seiner Gemahlin Susanne von Bourbon stammte, indem dieser nun der Tante der
Letzteren, Louise von Savoyen, der Mutter des Königs Franz, zugesprochen wurde.3 Dadurch sowie durch
andere Zurücksetzungen erbittert, trat er in die Dienste des Kaisers Karl V. über (1523), nahm an der Schlacht
bei Pavia theil (1525), wurde Generallieutenant des spanischen Heeres in Italien und führte im zweiten französi-
schen Kriege das spanische und deutsche Heer, das ohne Sold gelassen war, nach Rom, wohl in der Absicht,
sich zum König der Römer zu machen, fiel aber, als er, der Erste beim Sturme auf die Stadtmauer, die Leiter
bestieg, durch eine feindliche Musketenkugel getroffen, am 7. Mai 1527, worauf die Einnahme und Plünderung
der ewigen Stadt folgte. Die spanischen Soldaten, welche ihm mit Liebe anhingen, führten beim Abzüge von
Rom die Leiche mit sich und setzten sie in der Kapelle des Castells von Gaeta bei;4 das Grab wurde später von
dort entfernt. Karl von Bourbon war seit 10. Mai 1505 mit Susanne, der im Jahre 1491 gebornen Erbtochter
Pierre II. von Bourbon vermählt; sie starb am 28. April 1521.

182. Zierliche Goldschrift: DVX BOVRBONIVS. Brustbild links, im Profil, das Auge, die hoch-
geschwungene Braue, das Haupthaar und der Vollbart schwarz, die Stirne faltig, die Nase gerade vor-
tretend, das Haupthaar in goldener Haube geborgen, darüber an der Seite ein schwarzer Hut mit gol-
dener Medaille auf der Krampe und weisser Feder, der Hemdkragen aufgestellt und nur an den Ecken
umgebogen, in einem Unterkleide aus Goldstoff, das am Halse mit einem goldenen Schnürchen ge-
bunden ist, darüber ein Rock aus gleichem Stoff mit schwarzem Futter; letzteres wird an den Um-
schlägen des Kragens sichtbar; darüber eine schwarze Schaube mit breiter weisser Pelzverbrämung
und breiten Ausschnitten für die Aermel des Rockes. Grund gelblichgrau. — Katalog Nr. 351.

183. Ohne Aufschrift. Brustbild links, im Profil, Auge braun, Haupthaar und Vollbart dunkel-
braun, die Braue flach, die Nase gleich gerade vortretend, die Unterlippe vorstehend; auf dem Kopfe
eine dunkelbraune, mit Goldfäden gezierte Haube, darauf der schwarze Hut, die Krämpe mit goldenen
Nestelschlitzen und am Rande hin mit einer weissen Feder belegt, in blanker Rüstung, die an Hals
und Achsel mit goldenen, sternförmigen Knöpfen geziert ist, der Hals roth vorgestossen, darüber
weisser Halsstreif. Grund dunkelgraugelb. — Katalog Nr. 352.

1 Tome X, Serie X, Section 3, Nr. ig3i, »nach einem alten Gemälde«.

2 Er war Marschall und aus Gram über die Niederlagen der Franzosen im neapolitanischen Kriege am 5. October
1496 in Bajae gestorben.

3 Nicht blos Jovius (I, 184) sondern auch Brantome, Vies des hommes illustres et grands capitains (Leydener Aus-
gabe 1692, I, p. 210) führen die Beraubung des Herzogs auf die Mutter des Königs Franz zurück, welche als Regentin sich
mit Karl von Bourbon in zweiter Ehe habe vermählen wollen aber Ablehnung fand. Daher ihr Hass gegen ihn.

4 Brantome (a. a. O. 1, p. 237) sah es noch in Gaeta mit einem Goldstofftuche bedeckt, darüber die grosse Standarte
des Herzogs aus gelbem Taffet mit geflügelten Hirschen und einem blossen Schwerte.
 
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