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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0077
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70

Friedrich Kenner.

der Halskrause in entgegengesetzter Richtung;1 der Kupferstich von Thomas de Leu gibt ihn in seinem
64. Lebensjahre als Connetable mit dem Schwerte in der Rechten.

Die Malweise des Originales, welche in der Copie getreu festgehalten ist, zeigt dieselben Merk-
male, die wir schon in den Bildnissen der beiden Coligny, Andelot (Nr. 178) und Gaspard II. (Nr. 185 A),
getroffen haben und in jenen von Francois Montmorency (Nr. 206 und 207) sowie von Filippo Strozzi
(Nr. 211) wieder treffen werden. Wir können daher mit einiger Wahrscheinlichkeit Etienne Dumonstier
als Maler oder als Zeichner unserer Originale bezeichnen. Denn es ist augenscheinlich, dass eines der
beiden hier vorliegenden Porträte nach einer farbigen Zeichnung gemalt wurde. Es lässt sich die ver-
schiedene Farbe der Augen in beiden sonst so ähnlichen Copien eben nur aus einer zweifachen Vor-
lage erklären; der eine Copist hat ein Gemälde, der andere eine Zeichnung benützt, welche nur die

Fleischtheile mit Rothstift, alles Andere mit
grauem oder braunem Stifte angab. Die Farbe
der Augen war nur in ersterer, nicht in letzterer
ersichtlich; diese liess also hierüber den Copisten
in Zweifel. Welches von beiden Bildern das Rich-
tige gibt, vermag ich allerdings nicht zu sagen.

190. D'Estampes, Anne de Pisseleu, Ma-

demoiselle d'Heilly, Duchesse,

zweite Tochter des Guillaume Pisseleu und der Anne
Sanguin, Ehrendame der Mutter des Königs Franz I.,
Louise von Savoyen, geboren um 1508, vermählt am
25. August 1532 mit Jean de Brosse, Comte, später
Duc de Penthievre und d'Estampes. Als Maitresse
des Königs Franz I. nahm die schöne, den Künsten
und Wissenschaften ergebene Frau2 grossen Einfluss
auf die Regierung. Sie unterstützte die friedliche Po-
litik des einflussreichen Connetable de Montmorency,
obwohl dieser der Königin Leonore, Schwester des
Kaisers Karl V., ergeben war, bis zum Jahre 1539, um
welche Zeit Diane de Poitiers, seit 1531 die Geliebte
Heinrichs (II.), gleichfalls eine politische Rolle zu
spielen begann; die Eifersucht Beider gegeneinander
rief eine Spaltung bei Hofe in zwei Parteien, jene
der d'Estampes und der Diane, d. i. des Königs und
des Dauphin hervor, in deren Kampfe zunächst Erstere
siegte. Es gelang ihr, bei dem Könige die Friedens-
partei des Dauphin, und den mit dieser verbundenen
Connetable zu verdächtigen und den Sturz des
Letzteren herbeizuführen (1540). Seither gewann sie
stets grössere Macht und behauptete sie auch 1544 während des neu ausgebrochenen Krieges mit Karl V., dessen
Eindringen in Frankreich der Dauphin benützte, um — vergebens — die Wiedereinsetzung des Connetable zu
verlangen. Erst der Tod Franz' I. setzte ihrer Herrschaft ein Ziel (1547). Während ihr Gegner Montmorency
sofort wieder an den Hof und zur Leitung der Staatsgeschäfte berufen wurde, verschwand sie in dem Dunkel
der Zurückgezogenheit, in welche sie auf Betreiben ihrer Gegnerin Diane de Poitiers verbannt wurde. Sie unter-
stützte nunmehr, auf ihren Gütern lebend, von ihrem ansehnlichen Vermögen die Reformirten, denen sie im
Gegensatze zu Diane ihre Fürsorge zuwendete. Ihr Todesjahr ist unbekannt; 1575 war sie noch am Leben.

Unschöne, magere kleine Silberschrift: PRINCIPESSA STAMPIS. Brustbild links, im Dreiviertelprofil,
mit schwarzen Augen, die feinen Brauen lichtbraun, das in gewellte Scheitel geordnete Haupthaar
roth, das Häubchen weiss, mit lappenförmig ausgeschnittenem Rande über der Stirne, auf diesem eine
Zierschnur aus kegelförmig geschliffenen rothen Steinchen und Perlen, letztere zu je zwei Paaren auf-
gereiht; über dem Hinterkopf ist das Häubchen mit einem breiteren Goldstreif belegt und am Rande

1 Portraits, p. 217; vgl. ebenda, p. 333, Nr. i386 (Zeichnung im Louvre), welche ihn von der linken Seite und nach
Reiset (Notice de dessins du Louvre II, p. 221) kahlköpfig, also wohl in späterem Alter darstellt. Sie wird von Bouchot
dem Recueil K (Jean de Court) zugezählt.

2 Man bezeichnete sie als die schönste der gelehrten und als die gelehrteste der schönen Frauen.
 
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