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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0086
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78

Friedrich Kenner.

als mit dem Tode des Herzogs von Alencon (Nr. 173) im Jahre 1584 die Nachfolge des Calviners Heinrich (IV.)
von Navarra in Aussicht kam, als zugleich König Heinrich III. den Aufstand in den Niederlanden begünstigte
und Königin Elisabeth von England die Calviner unterstützte. Damals schloss er die heilige Ligue mit Philipp II.
von Spanien zum Schutze der katholischen Sache (1584), der dann auch König Heinrich beitrat. Durch den für
ihn glücklichen Ausgang des sogenannten Krieges der drei Heinriche gewann er die Gunst des Volkes, nament-
lich der Pariser; die Reichsstände erhoben ihn auf dem Tage von Blois (15. Juli 1588) zum Generalstatthalter
des Reiches, wodurch er fast die ganze Regierungsgewalt in die Hände bekam. Dies nährte den Argwohn Hein-
richs III. und beschleunigte die schon früher beschlossene Beseitigung seines gefährlichen Gegners; Henry wurde
am 23. December 1588 von den Edelleuten des Königs im Vorgemache des Cabinetes niedergestochen, die Leiche
verbrannt und die Asche in das Wasser gestreut. Ein Grabdenkmal befindet sich in der Kapelle von Chäteau
d'Eu, das er erbauen Hess. — Er war seit 4. October 1570 mit Catherine, der im Jahre 1548 geborenen Tochter
Franz II. von Cleve zu Nevers, Witwe des Anton de Croy, vermählt; sie starb am 11. Mai i633, 85 Jahre alt.

Ohne Aufschrift. Brustbild rechts, im
Dreiviertelprofil, schmale, seitwärts blickende
Augen mit kleinen dunkelblauen Sternen, das
reiche, etwas struppige Haupthaar dunkelblond,
die flachen Brauen, der spärliche Kinn- und
Schnurrbart mit aufgedrehten Enden heller
blond, mageres Gesicht mit breiter Stirne, leicht-
gebogener Nase, kleinem festgeschlossenen
Mund, auf der linken Wange die mit schwarzem
Pflaster überklebte Wunde, in breiter Hals-
krause und schwarzem Rocke, mit einer Reihe
goldener Knöpfe geschlossen. Um den Hals
ein über beide Brustseiten herabreichendes
breites blaues Band. Grund grau. Auf Pappe
aufgezogen. — Katalog Nr. 348 (von Primisser
als Heinrich von Guise, von Sacken irrthümlich
als Herzog von Mayenne bezeichnet).

Bei Schrenk, Tab. LIX, gleich aber in Rü-
stung; ebenso bei Köhler, Taf. 60, S. 227.

Das Original unseres Bildes ist, da der
Herzog mit dem Bande des am 1. Jänner 157g
gestifteten heil. Geistordens erscheint, in oder
Nr. 197. nach diesem Jahre entstanden. Die Wunde ist

mit grosser Treue dargestellt, was nicht durch-
aus auf anderen Bildnissen, die wohl etwas später entstanden sein mögen, der Fall ist. Wenn wir von
dem jugendlichen Porträt im Louvre absehen,1 geben ihn jene in Versailles2 und Florenz3 in gleicher
Wendung und mit dem genannten Orden wie unseres aber in der Rüstung; ebenso Dreux de Radier.4
Eigenthümlich verhält sich zu unserem Bilde eine farbige, mit »Dumonttier delineavit« signirte Zeich-
nung im Louvre; er ist hier von der linken Seite gesehen und trägt die Wunde auf der rechten Wange.5
Es scheint dies darauf hinzudeuten, dass diese Zeichnung in neuerer Zeit nach einem Kupferstiche ent-
standen ist, welcher ein gemaltes Porträt im Gegensinne reproducirte, wie dies bei Kupferstichen häufig
vorkommt. Alle anderen Darstellungen, auch der Kupferstich von Thomas de Leu, zeigen die Wunde
auf der linken Wange.

Die geistvolle Auffassung, die sich in unserer Copie verräth, lässt auf ein Original aus der Hand
eines hervorragenden Meisters schliessen; von allen anderen Reproductionen der Porträte des Prinzen

1 Delpech, Tome I, Guise, Galerie Royal.

2 Gal. hist. de Versailles, Tome VIII, Serie IX, Section 3, Nr. 1594, nach einem Original in Chäteau d'Eu.

3 Abgebildet in Spamer's III. Weltgeschichte V (3. Aufl.), S. 535.

4 Tome II, -zum Jahre 1588.

5 Bouchot, Portraits, p. 333, Nr. 1387.
 
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