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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0088
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8o

Friedrich Kenner.

mit vier schwarzen Knöpfen am Halse und Einschnitten an der Brust, das Oberkleid ebenfalls schwarz,
mit umgelegtem Kragen. Grund gelblichgrau. Auf Pappe aufgezogen; auf der Rückseite der Rest des
Pergamentstreifens aufgeklebt, mit der alten Aufschrift: Möns, de la röche \ Foncault (sie).— Katalog
Nr. 836.

In Versailles findet sich ein gleiches Bildniss,1 das wie unseres ungefähr auf das 50. Lebensjahr
des Dargestellten hinweist. Das Original wird nach dem Schnitte der Kleidung um die Zeit des Aus-
bruches der Religionskriege, etwa um 1562, entstanden sein. Die Malweise stimmt nicht völlig mit
jener der meisten anderen unserer französischen Bildnisse überein, so dass wir den Meister wohl ausser-
halb Paris zu suchen haben; es fällt namentlich
der gelbe Ton des Incarnates auf.

200. Longueville, Leonor d'Orleans,
Graf, später Herzog von,2

Sohn des Francois d'Orleans, Marquis von Rothelin,
und der Jacqueline, Tochter des Charles von Rohan
zu Gie, geboren 1540, folgte 1551 seinem unvermählt
gestorbenen Vetter Francois III. de Longueville, nahm
1557 an der Schlacht von St. Quentin, 156g an jener
von Moncontour und 1573 an der Belagerung von La
Rochelle theil und starb im August desselben Jahres
in Blois; er wurde in Sainte-Chapelle zu Chäteaudun
beigesetzt. — Seit 2. Juli 1563 war er mit Marie, Erb-
tochter des Francois Bourbon von St. Paul, geboren
1539 und gestorben am 7. April 1601, vermählt.

Zierliche Goldschrift: DVX DE LONGVE-
VILLE. Brustbild links, im Dreiviertelprofil, blaue,
seitwärts blickende Augen, die Brauen schwach,
das kurze Haupthaar braun, der lange Schnurr-
bart und der Vollbart sehr schmal und blond,
hohe Stirne, gerade Nase und wohlgeformter
Mund; auf dem Kopfe, schief sitzend, ein nie-
derer, faltiger schwarzer Hut mit schmaler Krämpe
und weisser Feder, die in der Gegend des Hinter-
hauptes befestigt ist, in weisser Halskrause und
schwarzem Wamms mit hohem Halse, letzterer
mit fünf gelben Knöpfchen geschlossen. Grund grau. Auf der Rückseite in alter Schrift: Mo (sie)
(Com)it [ De Longueville. — Katalog Nr. 355.

Ein nun verschollenes Gemälde, ehedem in der Sammlung Gaignieres und von dem kunst-
erfahrenen Besitzer unbedenklich Francois Clouet zugeschrieben, stellte den Herzog von Longueville
sehr jung, unbärtig, in schwarzer Kleidung, mit Federhütchen und Ordenskette dar.3 Diese Beschreibung
stimmt mit einem Gemälde im Chäteau d'Eu genau überein, nach welchem das Bildniss in Versailles
gemalt ist.4 Schon dem Alter nach ist es von unserem verschieden, da das vorerwähnte ihn etwa mit
15 Jahren darstellt, also um 1555 entstanden ist, während unseres ein Alter von mindestens 25 Jahren
verräth, nach welchem das Original um 1565 gemalt wäre. Die alte Aufschrift auf der Rückseite deutet
ebenfalls auf die Zeit vor 1571 hin, indem sie Longueville noch als Grafen bezeichnet; sie ist gewiss
nach dem Originale copirt. Die später auf der Vorderseite angebrachte Goldschrift, welche schon den
Titel Dux enthält, trägt dagegen der zwischen dem Entstehen des Originales und der Herstellung der

1 Gal. hist. de Versailles, Suppl. V, ohne Tafelnummer.

2 Die Longueville wurden 1571 Ducs und als Prinzen von Geblüt anerkannt.

3 Vgl. H. Bouchot, Les Clouet, p. 24, Note 1.

4 Gal. hist. de Versailles, Tome X, Serie X, Section 3, Nr. 1948.
 
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