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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Portätsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0127
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n8

Friedrich Kenner.

Eines der besten Bilder unserer orientalischen Reihe, zeichnet sich das vorliegende durch
Lebenswahrheit, durch feinen gewandten Vortrag und die harmonische Farbenstimmung aus; es gehört
zu dem venezianischen Bestandtheile unserer Orientalen und beruht auf einer Vorlage, welche mit den
Täfelchen des Chaireddin in keinem Zusammenhange steht und auch in späteren Kupferstichen nicht
benützt, jedenfalls erst in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts entstanden ist. Dies zeigt sich
deutlich in der Art der Kopfbedeckung. Sie gibt zwar richtig den goldenen Hut, dessen Spitze über
den Turban vorragt, eine Form, die Murad I. einführte;1 aber der Kopfbund ist von den älteren
Formen ganz verschieden und von jener Art, wie er erst unter Selim II. (1566—1575) getroffen wird.
Lehrreich ist dafür die Vergleichung mit dem Bildnisse des Grossveziers Sokolli (Nr. ig), das wir zu
diesem Zwecke auf Tafel IV mit jenem von Murad I. zusammenstellen. Der Turban ist, abgesehen

von dem goldenen Hute, der gleiche; die Compo-
sition der Porträtfiguren, das Motiv für die Haltung
der Arme und Hände, die Behandlung der linken
Hand stimmen in beiden Bildern vollkommen über-
ein. Nun beruht das Bildniss des Grossveziers
augenscheinlich auf einer nach dem Leben gemalten
Naturaufnahme, die zwischen 1565 und 1579 ent-
standen sein muss, da sie ihn eben als Grossvezier
darstellt. Folgerichtig ist auch die Form des Tur-
bans jene aus der ebengenannten Zeit, nicht aber
jene aus der Zeit Murad I. Die überaus lebendige
Auffassung und Individualisirung des Kopfes unseres
Murad scheint eine Zuthat des venezianischen Malers
zu sein.

8 und 9. Bajesid,

Sohn des Murad, geboren 1347, von seinen raschen
Kriegsbewegungen Jildirim (der Blitz) genannt, liess noch
auf dem Schlachtfelde bei Kossowo seinen jüngeren
Bruder Jakub ermorden, unterwarf i3go Serbien, dessen
Fürst Stephan, ein Sohn des Lazarus, tributärer Vasall
wurde und seine Schwester dem Sultan zur Frau gab,
verwüstete Bosnien und dehnte seine Eroberungszüge bis
vor Constantinopel und bis Durazzo aus; i3gi folgte die
Unterwerfung des Fürsten der Wallachei, Myrtsche, und
des Bulgarenfürsten Sisman. Einfälle der Türken in Un-
garn veranlassten ein Bündniss zwischen König Sig-
mund und König Karl VI. von Frankreich, deren ver-
einigtes Heer nach einem heissen Kampfe bei Nikopolis am 28. September i3g6 aufgerieben wurde. Nachdem
der Sultan, von dieser Seite gesichert, Eroberungszüge durch Griechenland und Morea unternommen und Con-
stantinopel, das er schon zehn Jahre cernirt hatte, eben zu erobern gedachte, wurde er durch die Entwicklung
der asiatischen Angelegenheiten von diesem letzten Unternehmen abgerufen. Hier hatte der Sultan die Fürsten-
thümer von Aidin und die anderen noch übrigen Seldschukenstaaten im Westen von Kleinasien, dann den
Fürsten von Karamanien (in zwei Feldzügen, 1392, 1393), jenen von Siwa und Kaisarieh, endlich die Seeräuber-
staaten in Paphlagonien unterworfen, so dass fast ganz Kleinasien in den Händen der Osmanen war; allein die
entthronten Fürsten flüchteten zu Timurlenk, Chan der Tartaren (siehe unten, Nr. 32), der in Kleinasien einbrach
und Bajesid in der Schlacht von Angora am 20. Juli 1402 aufs Haupt schlug. Der Sultan wurde gefangen und
von Timurlenk ehrenvoll behandelt,2 starb aber aus Gram am 8. März 1403 zu Akschehr in Hamid, wurde nach
Brusa überführt und hier bestattet. — Er war mit einer ungenannten Tochter des Fürsten German Ogli von
Karamanien seit Frühjahr i38i, dann mit Mileva, Tochter des Fürsten Lazar von Serbien (sie lebte noch 1402),
endlich seit 1387 mit einer Prinzessin von Byzanz vermählt, die im Jahre 1403, noch vor ihrem Gemahle, starb.

1 v. Hammer I, S. 179 f.; II, S. 368.

2 Die im Abendlande verbreiteten Gerüchte von der tyrannischen Behandlung sind darauf zurückzuführen, dass Bajesid
erst nach einem Fluchtversuche und nur bei Nachtzeit gefesselt wurde, um sein Entkommen zu verhindern. Vgl. ausführ-
lich darüber v. Hammer I, 318 f.
 
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