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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0169
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Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva.

159

Eigenthümlich ist in unserem Bilde die Landschaft mit den aufgethürmten Felsen und den blauen
Bergspitzen des Hintergrundes. Die »cpüci?« selbst trägt ein individuelles Gepräge, bestimmt durch das
derbe, breitknochige Gesicht und die harten Formen des Körpers. Die Modellirung ist roh, das Incarnat
röthlich; mit besonderer Sorgfalt sind aber die Details der Landschaft im Vordergrunde behandelt.

b) f. 72: Titelblatt zur Schrift: »rcepl ysviaeux; *a\ ^Gopäs«.

Die Miniatur, welche dieser Schrift des Aristoteles als Titelschmuck vorgesetzt ist, steht weit
hinter der eben betrachteten zurück. Auf den ersten Blick erkennen wir hier eine andere Hand. Schon
die Randleiste, die von einem
Blattrahmen umschlossen ist, ist
einfacher und trägt nur orna-
mentalen Charakter. Rechts gol-
dene symmetrische Renaissance-
ranken, die einer Vase entsteigen
und in Blüthen enden; in der
Mitte eine Goldmünze, welche
einen Pegasus1 darstellt. Del-
phine, Masquerons, Sphingen
und Cherubimköpfe dienen zur
Belebung. Links eine Renais-
sanceverzierung in der Gestalt
eines Candelabers; oben zwei
Delphine zu beiden Seiten einer
Vase. Der Grund ist in rothe,
grüne und blaue Compartimente
getheilt.

Die untere Randleiste ziert
das herzoglicheWappen, welches
von zwei Putten gehalten wird.
Rechts und links davon, im Vor-
dergrunde einer Hügellandschaft,
goldene Sphingen mit weib-
lichem Oberleib, mächtigen Flü-
geln und Stierleib. Im Hinter-
grunde tauchen blaue Berge aus
dem fernen Meere (Fig. 4). Das Textblatt ist von einem einfachen Steinrahmen umschlossen, der nur
unten etwas reicher profilirt ist.

Den Zusammenhang mit dem Inhalte der Schrift rcepl -/cveffsw? y.cd ^Oopä? stellt das Initialbild dar.
Die rosenrothen Schäfte der Initiale II sind auch hier an den Ecken mit Goldblättern verkleidet.
Die Miniatur, welche von einem vierseitigen Rahmen umschlossen ist, versinnbildlicht uns die oOopä,
das Vergehen des irdischen Daseins. Wir blicken in eine weite Hügellandschaft, in deren Hintergrund
pittoreske blaue Berge aus dem Meere aufragen. Halbverweste Cadaver von Menschen, Pferden und
Ochsen liegen im Vordergrund in bunten Haufen durcheinander, zernagt von unzähligen Insecten und
Mäusen. Deutlich genug ist dadurch die oöopa, die Vergänglichkeit alles Irdischen, zur Darstellung
gebracht (Fig. x).

1 Ich vermuthe, dass der Pegasus ein Sinnbild der Akademie des Pontanus war; denn er findet sich auffallenderweise
auch in der für Andrea Matteo ausgeführten Handschrift des Commentars des Gemisthius (Neapel, Nr. 211), in der Ethik des
Aristoteles (Wien, Phil, graec. 4), im Livius (Cod. Nr. 45), aber auch in einem Quintilian aus dem Besitze des Pontanus
(Wien, Hofbibliothek, Nr. 3o).
 
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