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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0170
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i6o

Hermann Julius Hermann.

An technischer Vollendung steht diese Miniatur weit hinter der ersten zurück; aber die Darstel-
lung ist phantasievoll und von eigenthümlichem Reiz durch die Landschaft, über welche wir eine weite
Fernsicht gemessen. Im Vordergrund eine Wiese, dahinter baumbewachsene Felsen, in weiter Ferne
das Meer mit überragenden Bergen, die aus ihm hervorragen und sich malerisch vom röthlichen Hori-
zont abheben.

c) f. 92 : Titelblatt zur Schrift: »^spi oüpscvoü«.

Das Titelblatt zur Schrift »Trspl oupavoö« übertrifft das vorhergehende an Erfindung und Sorgfalt
der Ausführung. Ein Vergleich mit der Miniatur zur <J>uor/.r) axpsact; lehrt, dass wir hier wieder ein
Werk von der Hand des Miniators des ersten Bildes vor uns haben.

Die Randleisten beleben wieder mythologische Gestalten, welche zum Theil mit denen der ersten
Miniatur übereinstimmen. Unsere Aufmerksamkeit zieht zunächst die Darstellung des unteren Hori-
zontalstreifens auf sich. Wir werden an ein Flussufer
versetzt, an welchem in der Mitte ein Baum mit einer
Inschrifttafel, die offenbar den Namen des Herzogs
oder das Monogramm des Miniators tragen sollte,
steht. Zwei Hippokampen, auf deren Rücken nackte
Nereiden sitzen, denen bocksbeinige Satyrn Schüs-
seln mit Aepfeln reichen, halten die Tafel. Also auch
hier wieder Dämonen des Meeres. Im Hintergrund
wieder blaue Bergspitzen und Thürme.

Darüber entspringen aus einer von einer weib-
lichen Halbfigur gehaltenen Vase weisse Acanthus-
ranken, welche in stilisirte Blüthen enden. In der
Mitte rechts in einem Medaillon wieder zwei der
emblematisch verwendeten Gazellen in einer felsigen
Landschaft, links als Pendant in einem Medaillon
ein weisses Thier, offenbar dem auf f. 1 entsprechend.1
Der Grund der ganzen Randleiste ist roth, grün und
blau in grellen Tönen bemalt. In der oberen Rand-
leiste ist in der Mitte der Cameo eines römischen Im-
perator laureatus angebracht, welcher von einem
Triton und einer Nereide mit Palmzweigen gehalten
wird. Ausführung und Auffassung der antiken Dämonen entsprechen ganz der Behandlung der ersten
Miniatur. Minder erfreulich ist die coloristische Wirkung, wie auch der Mangel einer einheitlichen
Anlage sich störend geltend macht.

Einen innigen Zusammenhang mit dem Text stellt das Initialbild her, welches auch hier von dem
ausgerissenen, scheinbar vorgelegten Textblatt begrenzt wird. Die grüne Initiale H, deren Enden wie-
der mit Goldblättern verkleidet sind, ist vor die Miniatur gestellt, welche die Vorstellungen des
Aristoteles vom Kosmos zur Darstellung bringt (Fig. 2).

Im Vordergrund einer Landschaft, deren Horizont blaue Bergspitzen begrenzen, sitzen Plato und
Aristoteles in weiten Gewändern, mit Buchern in den Händen, offenbar in einer wissenschaftlichen
Discussion begriffen.2 Zwischen beiden steht, in der Art einer Armillarsphäre in ein Fussgestell ein-
gefügt, der Weltglobus. Man erkennt zwölf concentrische Kreise, die als ineinander geschachtelte Hohl-
kugeln zu denken sind, um die sich schräg ein Metallband mit den Thierkreiszeichen des Löwen, der
Jungfrau, der Wage, des Scorpions, des Sagittarius und des Steinbocks schlingt. Die Mitte nimmt der
goldene, als Vollkugel gedachte Kreis der Erde ein, um die sich der weisse Kreisring des Wassers, der

Fig. 2. Wien, Cod. Phil, graec. 2, f. 92: Der Kosmos.

1 Sollte nicht das Hermelin der Aragonesen gemeint sein? Wenn dem so wäre, so könnten die Gazellen als Embleme
der Acquaviva aufgefasst werden.

2 Die Ansichten des Aristoteles weichen in kosmologischen Fragen von denen Piatos nur unwesentlich ab.
 
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