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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0172
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IÖ2

Hermann Julius Hermann.

Der Miniator brachte den Gegenstand in ausserordentlich phantasievoller Weise zur Darstellung
und unterscheidet sich darin vortheilhaft von der etwas trockenen, harten Auffassung seines Arbeits-
genossen.

Dass diese Miniatur von derselben Hand wie das zweite Bild der Handschrift herrührt, ist zweifel-
los. Wir finden dieselbe Behandlung der Landschaft mit dem ausserordentlich hohen Augpunkt, den-
selben Typus in den Gesichtern der Putten, dieselben Sphingen wie in dem der Schrift srcpi ^svesscocj
y.y). c,0spä? gewidmeten Titelbild.

Endlich sei noch auf die Initialen und Randleisten zu Beginn der einzelnen Bücher hingewiesen.
Die Initialen sind griechische Capitalbuchstaben, die in der Mitte kantig vorstehen, in farbigen
Quadraten, geziert mit goldenen Renaissanceblättern, Delphinen, Masquerons und Sphingen, immer
mit Randleisten in Gestalt von Candelabern auf hellfarbigem Grund, belebt durch dieselben Ele-
mente wie die Initialen. Sie wurden von derselben Hand wie die Randleiste der zweiten Miniatur
ausgeführt.

Erfreulicherweise ist die Handschrift datirt, so dass wir damit einen Anhaltspunkt für die folgende
Untersuchung gewinnen.

Der Schreiber schliesst f. 150' das Werk mit der Notiz:

iypdtfr^txv Ta fpucixa v.cd ib rcepl vjxi Ysvlasu? vcal oöopa; >wel o&pavoö tou 'ÄpiotOTiXou^ ev -fi 'A^pou-
Töia Z,wpa §ta ^eipb? äpi.aptcoXoü tootoc1 'Po^ßsp-cou MaVopavou ey. *u>pt,rj<; MtXijiciviivij; stei &i:o
Se aapy-wcewi; TOÖ y.uptou i^jAiv 'Irjcrou XpiaToü etouq Tps/ovro? (a559'.2 Daraus geht hervor, dass
diese Handschrift in den Abruzzen von einem Priester namens Rombertus Maioranus aus Male-
pigniano im Jahre 1496 (wie der Schreiber vorausschickt, im Jahre 7003 seit der Erschaffung der
Welt) geschrieben und, wie wir vermuthen dürfen, dort von uns unbekannten Miniatoren mit Bildern
geschmückt wurde.

Wir haben gesehen, dass die Miniaturen dieser Handschrift unter zwei Miniatoren zu vertheilen
sind; von dem einen rühren die Titelblätter zur $urari] äxp6a«? und zur Schrift xepi oüpavou her, von
dem zweiten die Miniaturen zu den beiden anderen aristotelischen Schriften: ^spi y&viaeü^ xai e/Ocpä;
und xepi tyuyris, weiters die Initialen und Randverzierungen zu Beginn der einzelnen Bücher.

Den ersten Miniator charakterisirt die Behandlung der Landschaft, die zackige, brüchige Bildung
der Felsen, die blauen Bergspitzen und Thürme, die sich vom röthlichen Horizont abheben, die herbe
Auffassung der Figuren und ein lebhaftes, kräftiges Colorit, welches freilich den Eindruck der Bunt-
heit macht. Der zweite Miniator unterscheidet sich schon äusserlich durch ein viel matteres Colorit;
seine Landschaft hat einen bläulichen Gesammtton und charakterisirt sich durch den hohen Aug-
punkt, durch die weite Fernsicht bis zu blauen, aus dem Meere ragenden malerischen Hügeln; seine
Figuren sind bedeutend kleiner, flüchtiger modellirt aber weicher in den Formen. Phantasievoll ist
vor Allem die Composition der Initialbilder, während die Randverzierungen eine geringere Erfin-
dungskraft zeigen.

Das eigenartige Verhältniss der Initialminiaturen zum Text, den sie erläutern, nicht aber selbst
illustriren, lässt die Vermuthung zu, dass ein Gelehrter dem Maler Angaben zu seinen Bildern vorgelegt
habe. Ist schon nicht anzunehmen, dass ein Miniator den griechischen Text verstanden hätte, sicher-
lich würde er die Ausführungen des Stagiriten auch inhaltlich nicht erfasst haben. Zudem wissen wir
auch aus Summontes Brief, dass Lucio Phosphero dem Miniator Gasparo Romano Anleitungen zu der
obenerwähnten Darstellung der »Natura« gegeben hat. Vorlagen für Miniaturen waren nichts Un-
gewöhnliches. Die Vermuthung liegt nahe, dass Andrea Matteo selbst das Programm entworfen hat,
da er, ein gründlicher Kenner der Philosophie des Aristoteles, auch dazu befähigt war, die abstracten
Ansichten des Philosophen in die Form eines Bildes zu kleiden.

1 Soviel wie »sacerdos«.

2 Lambeccius macht mit Recht darauf aufmerksam, dass das 8' (das Zahlzeichen für 4) fälschlich statt 0' (das Zeichen
für 400) gesetzt ist.
 
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