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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0224
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Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva.

20I

I. Gruppe.

A. Von Reginaldus Piramus aus Monopoli (wenn wir ihn also als den Hauptminiator der

Ethik annehmen wollen):

Die ersten sechs Miniaturen der Ethik (Phil, graec. 4) und einzelne Theile der

letzten vier Bilder;
das Titelblatt zum Seneca (Cod. Nr. 7).

B. Von seinem Werkstattgenossen:

Zum grössten Theil: die letzten vier Miniaturen der Ethik (Phil, graec. 4);

das Titelblatt zum Cicero (Gerol. Neapel Nr. 223);

ihm nahestehend: das Titelblatt zum Plinius (Gerol. Neapel Nr. 222).

C. Von einem unbekannten Miniator derselben Schule:

Die erste und dritte Miniatur zur Naturphilosophie (Phil, graec. 2).

II. Gruppe.

Von dem Miniator der zweiten und vierten Miniatur zur Naturphilosophie (Phil, graec. 2):
Die Miniaturen zu den Handschriften: Livius (Cod. Nr. 45);
Rhetorik des Aristoteles (Cod. Phil, graec. 29);
Aristoteles' Physik (Gerol. Neapel Nr. 221);
Apuleius (Gerol. Neapel Nr. 227).

III. Gruppe.

In diese fasse ich die anderen fünf Codices des Herzogs zusammen, deren Ausschmückung sich
auf ziemlich rohe Randleisten und untergeordnete Miniaturen beschränkt, die von recht unbedeuten-
den Miniatoren herrühren. Innerhalb dieser Gruppe gehören zusammen:

A. Die beiden von Vitus geschriebenen Codices (Themistius zu Aristoteles' De anima [Nr. 36]

und Calcidius' Commentar zu Piatos Timaeus, Gerol. Neapel Nr. 21g), die in Acquaviva
in Apulien entstanden sind.

B. Die beiden von Angelos Konstantinos geschriebenen griechischen Handschriften (Isokrates

[Phil, graec. 2] und Xenophon [Hist. graec. 2]), deren Ausschmückung einem unbedeu-
tenden Miniator angehört.

C. Die Wiener Liviushandschrift (Cod. Nr. 14) mit Randleisten von »Iacobus de Fabriano«.
Der künstlerische Werth dieser fünf Manuscripte ist so gering, dass ich auf ihre Kunstrichtung

nicht näher einzugehen brauche; sie enthalten die damals in ganz Italien üblichen Randleisten aus
weissen Spiralen auf blau, roth und grün ausgefülltem Grunde in meist roher Ausführung.

Bedeutsamer erscheinen die beiden anderen Gruppen, deren jede ein individuelles, eigenartiges
Gepräge trägt. Die weit hervorragendere ist die erste Gruppe, innerhalb welcher Reginaldus Piramus
als ein höchst charakteristischer Künstler die erste Stelle einnimmt. Sein Stilcharakter lässt deutlich
erkennen, dass er seine künstlerische Erziehung bei einem ferraresischen Meister aus der Schule des
Cosimo Tura genossen hat. Vermuthlich war Reginaldus auf dem Seewege über Venedig, an welches
wir auf der fünften Miniatur der Ethik eine Reminiscenz erkennen konnten, aus seiner apulischen
Heimat nach dem Norden gekommen. Die Verwandtschaft der Miniaturen mit Werken der älteren
ferraresischen Schule zeigt sich in jeder Hinsicht, in der Landschaft, in der Zeichnung der Figuren
und im Colorit. Die Landschaft mit den in Schichten aufgethürmten kahlen Felsen, den fast blätter-
losen Bäumen und dem sanft abgetönten Himmel ist für die Ferraresen charakteristisch. Ich erinnere nur
an die Landschaft in den Fresken des Palazzo Schifanoja, dem grossen Monumentalwerke der älteren
Ferraresen (speciell an die Landschaft im »Trionfo di Venere« des April [Francesco Cossa] oder im
»Trionfo di Cerere« des August [Cosimo Tura und Schüler]), an die Landschaft in dem Bilde des hei-
ligen Georg im Dome zu Ferrara (ehemals Orgelflügel), welches den Höhepunkt der Thätigkeit Turas

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