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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Die aus dem kaiserlichen Schlosse Ambras stammenden Harnische und Waffen im Musée d'Artillerie zu Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0247
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224

Wendelin Boeheim.

kämpfte, eine Thatsache, die nähere freundschaftliche und waffenbrüderliche Beziehungen Beider leicht
voraussetzen lässt. Schliesslich bemerken wir, dass sämmtliche nach Paris gekommenen Harnische und
Waffen bereits in dem ältesten, gedruckten Ambraser Inventare von I5g3 angeführt sind.

Zum Verständnisse der wiederholten Anführung von Porträten sei bemerkt, dass der Erzherzog
bei den meisten der Harnische und Waffen berühmter Personen deren Bildnisse anbringen liess, die
auf dreieckigen oder ovalen Holztafeln gemalt waren. Solche Bildnisse, von übrigens minder gewandter
Hand gemalt, finden sich noch heute in ziemlicher Anzahl in der kaiserlichen Waffensammlung zu
Wien.

Damit sind die näheren Umstände bei der Entnahme der Harnische und Waffen aus dem
Schlosse Ambras aus officiellen Quellen aufgeklärt und wir können uns nun unserer Hauptaufgabe,
der Feststellung der Identität derselben im Musee d'Artillerie in Paris, zuwenden, wozu uns nach per-
sönlichem Augenschein auch noch bildliche Darstellungen in die Lage setzen, für welche wir dem
gegenwärtigen Conservator dieses Museums Obersten Francois Bernadac zu dem lebhaftesten Danke
uns verpflichtet fühlen.

Wir folgen in unseren Untersuchungen genau der Anordnung der Objecte im citirten Proces
verbal und wenden uns zunächst zu dem Harnisch des Königs Franz I.:

Ueber die näheren Umstände der Fertigung dieses Harnisches hat D. Schönherr in seinen Bei-
trägen zur Kunstgeschichte Tirols1 authentische Daten gebracht, die nun auch im Fachgebiete allent-
halben bekannt sind. Wir sind dadurch einer Wiedergabe der dort angeführten Urkunden wohl über-
hoben und können uns auf ein Zusammenfassen der Thatsachen beschränken.

Im Jahre 1539 sendete König Ferdinand I. seinen Wappen- und Harnischmeister Jörg Seusen-
hofer in Innsbruck »etlicher Sachen halber« nach Frankreich. Dort erhielt der weitberühmte Meister
nicht allein vom Könige Franz I. und den Prinzen sondern auch von Personen des Hofes zahlreiche
Aufträge auf Harnische. Das vorhandene Verzeichniss weist vier Harnische für den König, drei für
den Dauphin (Heinrich IL, geb. 1519), ebensoviele für den jüngeren Sohn (Karl von Orleans, geb. 1522),
zwei für den Connetable (Anne de Montmorency), drei für den Herrn von Poissy, endlich zwei für
den Duc d'Antin auf. Von diesen bezeichneten Harnischen sollte einer für den König, zwei für den
Dauphin, einer für den jüngeren Sohn und einer für den Connetable auf Kosten Ferdinands gemacht
werden.

Ferdinand lag vor Allem daran, dass die Harnische für die Prinzen (die jungen kunig) fertig
würden, und wirklich waren diese Ende März 1540 vollendet und wurden Anfangs April an Ferdinand
nach Brüssel gesendet. Der auf Kosten Ferdinands für Franz I. bestellte Harnisch wurde erst später in
Arbeit genommen und fertiggestellt. Nun wurden aber im Juni 1540 die Beziehungen zu Frankreich
abgebrochen, 1542 wurde wieder der Krieg eröffnet. Dieser Zwischenfall erklärt zur Genüge, dass der
Harnisch des französischen Königs wie jener des Connetable, wenn letzterer wirklich von Seusenhofer
fertiggestellt worden sein sollte, woran indess zu zweifeln ist, in Tirol zurückblieb und Beide die von
ihnen bestellten und erwarteten Waffenstücke nie zu Gesicht bekamen. Der Harnisch Franz I. scheint
in Innsbruck verblieben und nach dem Ableben des Kaisers Ferdinand in den erblichen Besitz des Erz-
herzogs Ferdinand und so nach Ambras gekommen zu sein.

Dass die französischen Officiere sich über die näheren Umstände der Erwerbung des Harnisches
Franz I. irrten, ist übrigens begreiflich; beweist doch das Inventar von 1788, dass man sich am Orte
selbst darüber täuschte; es heisst da pag. 17:

»254. Eine weiss polirte ganze rüstung zu pferde, alles mit vergoldten strichen, lilien und ge-
flügelten seegöttern geziert, vom Könige Franz dem ersten von Frankreich, welcher in derselben zu
Pavia soll gefangen worden seyn, nebst den schwarzen bcinkleidern, die er darunter getragen haben
soll, und seinem portrait.«

1 Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Tirols, I. Bd., Innsbruck 1864, p. 84.
 
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