Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

DOI issue:
Abhandlungen
DOI article:
Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0275
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
248

Julius von Schlosser.

die im XVI. Jahrhunderte noch Dürer gern angewandt hat. Solche »gemalte Tüchlein«, auf beiden
Seiten gleich, hat er ja nach einer bekannten Stelle des Vasari dem Raffael übersandt, um ihm seine
Hand zu weisen.1

Die Notiz Forzettas ist in mehrfacher Hinsicht von grossem kunstgeschichtlichen Interesse. Ein-
mal zeigt sie uns, wie sich die Fäden der Kunstübung vom Süden bis in den äussersten Norden spinnen,
dann den fortgesetzten Kunstaustausch und die Tradition innerhalb eines grossen internationalen
Ordens, wie es die Franziskaner sind; auch für die Kenntniss der Vermittlung der Vorlagen ist sie von
Bedeutung. Für Treviso ist sie dann noch von besonderem Belang; war uns schon in den Gemälden
der Loggia dei Cavalieri, wie in Leben und Sitte überhaupt, die rege Verbindung mit dem Norden
entgegengetreten,2 so finden wir hier, im XIV. Jahrhundert, eine neue Bestätigung dafür. Gerade in
Venedig und seinem Gebiete ist bis ins XV. Jahrhundert, besonders auf dem Felde der angewandten
Künste, der nordländische, speciell der deutsche Einfiuss immer mächtig gewesen; der deutsche Gold-
schmied, der deutsche Glasmaler mit seiner so specifisch nordländischen Technik ist hier immer zu
finden gewesen.

Die Ricordi des Forzetta, des eifrigen Sammlers von Antiken, Gemälden und Büchern, sind
charakteristisch für das venetische Kunstleben des Trecento; ihm reiht sich etwas später der Prior von
S. Niccolö in Treviso, Fra Fallione Vazzola an, der um das Jahr 1347 seinem Kloster eine bedeu-
tende Schenkung von Miniaturen, Bildern, Kunstwerken, Gefässen, geschnittenen Krystallen, Sculp-
turen aus kostbarem Stein, Cameen, eine Madonna aus Alabaster und eine zweite aus Elfenbein u. a. m.
zugewendet hat.3

Erst gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts treffen wir aber in Treviso einen Maler, der sich über
die Grenzen seiner Vaterstadt hinaus einen Namen gemacht hat. Es ist Tommaso da Modena,
Thomas de Mutina, wie er sich selbst nennt, merkwürdig auch dadurch, dass von ihm die beiden älte-
sten italienischen Gemälde auf nordländischem Boden und für diesen gearbeitet erhalten sind, — ab-
gesehen von dem Mosaik des Prager Domes, das unter Karl IV. von venezianischen Musivarbeitern
ausgeführt worden ist. Allerdings sind auch im früheren Mittelalter vereinzelt italienische Künstler
nach dem Norden gekommen, wie der sagenhafte Johannes, den Kaiser Otto III. nach Aachen berufen
haben soll,4 oder jener Lombarde Nivardus, der unter Abt Gauzlin5 zu Beginn des XI. Jahrhunderts im
Kloster Fleury an der Loire arbeitete. In Tommaso tritt uns aber gegenüber diesen schattenhaften
Gestalten zuerst eine greifbare Persönlichkeit mit individuellen Zügen entgegen, deren Verbindung mit
dem Norden gerade für die Kunstzustände Treviso's sehr bezeichnend ist.

Der Ausgangspunkt der folgenden Schilderung von Tommaso's Thätigkeit soll das aus Karlstein
in die ehemalige Galerie des Belvedere gelangte Tafelbild sein, dessen Publication in diesem Jahrbuche
um so gerechtfertigter erscheint, als das Bild der einzige Vertreter des Trecento in der kaiserlichen
Galerie ist und durch seine Bestimmung für Böhmen noch ein besonderes Interesse erregt. Da es schon
wiederholt publicirt worden ist, zuletzt in einem Lichtdruck des neuen Werkes von Josef Neuwirth

bibit. Ac etiam non sparguntur tractus pincellorum facti ex ipsis aquis, quod gummacio tele facta, ut dictum est, prohibet
sparsionem ipsam tractuum pincellorum, et cum tele ipse operate sunt, tarnen raritas (Durchsichtigkeit) ipsorum non est
suspicata nec obfuscata, plus quam si non picte fuissent, quia aquei colores superscripti non habent tantum corpus quod
possent suspicare raritatem in tella.

1 Vasari, V. di Raffaello ed. Milanesi IV, 554: e gli mandö la testa d'un suo ritratto condotta da lui a guazzo su
una tela di bisso, che da ogni banda mostrava parimente e senza biacca, i lumi trasparenti, se non che con acquerelli di
colori era tinta e macchiata, e de'lumi del panno aveva campato i chiari; la quäle cosa parve maravigliosa a Raffaello.

2 Siehe auch den Aufsatz von Simonsfeld, Eine deutsche Colonie in Treviso im späteren Mittelalter (Abhandlungen
der Münchener Akademie 1891) und die dort mitgetheilte, von Hartmann Schedel (in seinem Inschriftenwerk, München
Clm. 716) aufbewahrte Grabschrift des Freidank aus Treviso.

3 Mitgetheilt von Federici, a. a. O., I, S. 38, nach dem leider noch ungedruckten Autograph im Archive von S. Niccolö.

4 Vita des Bischofs Balderich von Lüttich; vgl. mein Quellenbuch zur Kunstgeschichte, in Eitelberger-Ilg's Quellen-
schriften, N. F., Bd. VII, Cap. XXIV.

s Vita Gauzlini des Andreas von Fleury, Quellenbuch, Cap. XXVIII, §61: Gauzlinus, quodam pictorum peritissimo a
Langobardorum regione ascito, nomine Nivardo, insignis operis crucifixum componi precepit. Vgl. auch § 62.
 
Annotationen