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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Schlosser, Julius von: Tommaso da Modena und die ältere Malerei in Trevisio
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0308
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272

Julius von Schlosser.

kehren und die Kronen des Martyriums empfangen würden. So zogen sie nun nach der Mahnung des Engels
gegen Rom und gelangten, ihre Schiffe in Basel zurücklassend, zu Lande dorthin. Papst Cyriacus, höchlich
ob ihrer Ankunft erfreut, da er selbst aus Britannien stammte und viele Verwandte unter ihnen hatte, empfing
sie unter grossen Ehren mit der ganzen Clerisei. In derselbigen Nacht ward ihm aber durch göttliche Eingebung
kundgethan, dass er zusammen mit den Jungfrauen die Palme des Martyriums empfangen werde. Doch behielt er
dies bei sich und taufte noch Viele, die bisher noch nicht in den Schooss der Kirche aufgenommen waren. Aber
als er die Zeit gekommen sah und er nach einem Jahre und elf Wochen die Kirche als Neunzehnter nach Petrus
regiert hatte, that er in einer allgemeinen Versammlung seinen Willen kund und entsagte öffentlich seiner Würde.
Aber obgleich Alle und besonders die Cardinäle, die ihn irren Geistes zu sehen glaubten, da er gegen den
Willen der Clerisei die Herrlichkeit des päpstlichen Stuhles verliess, um hinter einigen thörichten
Weiblein einherzulaufen, Widerspruch erhoben, so gab er dennoch nicht nach und setzte an seiner
Stelle einen heiligen Mann, der Ametos hiess, als Papst ein. Und so tilgte der Clerus seinen
Namen aus dem Verzeichniss der Hirten Roms und seit jener Zeit verlor die heilige Schaar
der Jungfrauen alle Gnade, die sie bei der römischen Curie gefunden hatte. Aber zwei
ungerechte Fürsten des römischen Heeres, Maximus und Africanus, fürchteten, da
sie die grosse Schaar der Jungfrauen und den zahlreichen Zulauf zu ihnen sahen,
dass durch sie die christliche Religion allzusehr zunehmen möchte. Daher
schickten sie Boten zu ihrem Schwager Julius, dem Fürsten des Hunnen-
volkes, dass sie, gen Köln ziehend, das christliche Heer der Jungfrauen bei
seiner Ankunft vernichten sollten. Der heil. Cyriacus aber zog mit jener
edlen Jungfrauenschaar aus Rom aus und ihm folgten der Cardinalpresbyter
Vincentius, Jacobus, Erzbischof von Antiochia, und noch einige andere
Bischöfe. Ethereus aber, der Bräutigam der heil. Ursula, der, in Britan-
nien zurückgeblieben, dort nach dem Tode seines Vaters den Königsthron
bestiegen hatte, zog gleichfalls mit seiner Mutter und seinem Schwester-
chen Florentina auf göttliches Geheiss nach Köln, um dort des Martyriums
mit seiner Braut theilhaftig zu werden. So gelangten endlich die Jung-
frauen mit den Bischöfen nach Köln, das sie von den Hunnen belagert
landen. Bei ihrem Anblick stürzten sich die Barbaren auf sie mit gewal-
tigem Geschrei und metzelten sie insgesammt nieder, wie Wölfe in einer
Schaf heerde wüthend. Als sie aber nach der Ermordung Aller zur heil.
Ursula kamen und ihr Fürst deren Schönheit sah, erstaunte er und be-
gehrte sie, sie über den Tod ihrer Jungfrauen tröstend, zur Ehe. Da sie
aber dies durchaus verweigerte, ergriff er in der Wuth über die Zurück-
weisung seinen Bogen, durchbohrte sie mit einem Pfeile und vollendete so
das Martyrium«.

Von der Ornamentik der Ursulakapelle sind ebenfalls einige
charakteristische Reste gerettet worden. Einer der am besten er-
haltenen ist hier reproducirt, die Laibung eines Bogens, mit schönen,
kräftig stilisirten vegetabilischen Ornamentstreifen, zwischen denen
in einem Medaillon die überaus anmuthige Jünglingsfigur des Erz-
engels Michael mit der Seelenwage erscheint (Fig. 7).

Eine technische Besonderheit dieser Fresken ist zu wichtig,
um hier nicht wenigstens erwähnt zu werden. Unter dem Feinputz
des Malgrundes fanden sich, unmittelbar auf den Grezzo (Rauh-
putz) mit Kohle oder Ocker aufgetragen, flüchtig skizzirte Vor-
zeichnungen für die Bilder, mit zahlreichen Pentimenti. Für die
Kenntniss des Verfahrens der mittelalterlichen Wandmaler ist dies
ein sehr interessanter Umstand; der Mauergrund muss hier, bei der
Kostspieligkeit des gewöhnlichen Schreibestoffes, in gewissem Sinne die Stelle des späteren Cartons
vertreten; der Maler konnte so einigermassen die Wirkung seiner Composition an Ort und Stelle be-
urtheilen. Ich gebe hier eine dieser Vorzeichnungen, die jetzt im Museo Civico (Nr. 73) bewahrt wird;
sie ist die Studie für das darüber gelegte Fresco Nr. 11. (Fig. 8 und 9). Auch an der Loggia de' Cava-
lieri hat man derartige Entwürfe auf der Mauer gefunden; dasselbe ist merkwürdigerweise auch bei
den Tafelgemälden des Theodorich in der Kreuzkapelle des Karlsteins der Fall, von denen schon im
vorigen Jahrhundert Professor Ehemant in seinem Berichte an den Fürsten Kaunitz hervorhob, dass

Fig. 7-
Ornamentstreifen
aus der Ursulakapelle
von S. Margherita.
 
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