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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Hieronymus Bosch: und die Darstellung der vier letzten Dinge in der niederländischen Malerei des XV. und XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0327
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288

Hermann Dollmayr.

Zanetti 1733 die »Descrizione di tutte le pubbliche pitture della Cittä di Venezia« herausgab,1 berich-
tigte er diese Fehler, indem er den Namen Basi mit wichtiger Miene in Boich verschlimmbesserte;
denn so, meint er, könne man es in weissen deutschen Buchstaben darauf lesen. Als den Gegenstand
des anderen Bildes gibt er in seiner »Descrizione« wie in seinen Büchern »Della pittura Veneziana« einen
heil. Hieronymus mit noch zwei Heiligen auf den Flügeln an. Aus dem Dogenpalaste nach Wien
scheinen dann beide zur Zeit der österreichischen Herrschaft über Venedig gekommen zu sein.

Das eine davon (Taf. XXXV),2 auf drei Eichenbretter gemalt, zeigt im Mittelbilde oben den heil.
Hieronymus, der, durch die strengen Bussübungen ein wenig vertrocknet und abgezehrt, in der Wüste
zwischen den Trümmern eines prächtig gedachten Tempels oder besonderen Baues vor dem Kreuze
kniet und dabei lebhaft die Hände bewegt, als ob er sich eifrig damit unterhielte. Ein Postament, wie
ein Farbenreiber gebildet, ragt zu seiner Rechten auf, neigt sich und lässt eine Figur herabfallen, die
mit ihrem langen Kleide und der eigenthümlichen Zipfelmütze ganz gut das Bild eines Götzen vorstellen
könnte, dem es gelungen ist, in der Einöde versteckt, seinem Sturze zu entgehen, und den nun der Heilige
mit seinem Gebete dennoch ins Wanken gebracht hat. Gegen den Hintergrund zu formen Felsen und
Bäume mit exotischen Gewächsen einen seltsam durchbrochenen Bau, zwischen dessen Spitzen und
Zacken sich Dornen und Schlingpflanzen, gleich einem wild gerathenen Maasswerk, zu einem dichten
Spitzenmuster verweben, das in seinen Maschen allerhand Vögel trägt und woraus hie und da ein unheim-
liches, auf Beute lauerndes Raubthier die spiegelglatten Wasser des Tümpels durchforscht, der das Ge-
bilde umschliesst und wozu sich auch der Löwe des Heiligen begeben hat, um, wie es müssige Hunde
thun, daran herumzusuchen oder um die geistige Abwesenheit seines Herrn zu benützen und seinen Durst
einmal gründlich zu löschen. Eine friedliche Stille herrscht in dieser wundersamen Natur. Der Storch
im Angesichte des Löwen steht unbewegt auf seinem Beine, ein Rudel Hirsche kommt ungeschreckt zur
Tränke und nur im Vordergrunde bekämpfen sich zwei dämonische Ungeheuer auf Leben und Tod,
Ausgeburten der Hölle, die niemals Frieden halten können. Die Nische, vor der Hieronymus kniet
und in der er sein Kreuz an dem Aste eines Baumes befestigt hat, der sich zwischen den Steinblöcken
durchzwängt, sieht wie ein Steinthron aus, dessen Aussenseite Reliefe verzieren: Judith, die das Haupt,
das sie dem aus seinem Bette auf den Zeltboden gestürzten Holofernes abgeschlagen hat, ihrer Magd
übergibt, sowie ein Mann, der in einen Bienenkorb gekrochen ist und zwischen seinen Schenkeln eine
Gerte stecken hat, auf der eine Eule hockt. Ein anderes Relief, das es nach der Beschädigung, die das
Bild gerade an dieser Stelle aufweist, nicht mehr genau unterscheiden lässt, wie wir es uns ange-
bracht zu denken haben, zeigt einen Reiter, der ein Einhorn besteigen will, und auf dem Farbenreiber
ist ein Mann abgebildet, der Sonne, Mond und Sterne anbetet. Nach rechts schliesst die Scene ein
dichtbewachsener Hügel, gegen den Horizont zu eine der weiten Ebenen ab, wie sie sich, saftig und
grün, mit buschigen Bäumen, in reizender Abwechslung dem Blicke des Wanderers darbieten, der
zwischen Lek und Waal, an ihren Ufern hin, seinen Weg nimmt.

Dieselbe Ruhe, die auf dem Mittelbilde lagert, herrscht auch noch auf dem rechten Flügel, wo
der heil. Aegydius, den Pfeil in der Brust und die Hirschkuh zu seinen Füssen, vor einer Steinbank
steht und die Messe liest, in der ihm auf einem Zettel, den der Künstler neben seine linke Hand ge-
malt hat, die geheime Sünde offenbar wird, die ihm sein königliches Beichtkind nicht bekennen wollte.
Ein Rabe macht sich mit den Ueberresten eines Wildschweines zu schaffen, dessen Kopf und Schädel
im Vordergrunde liegen, während im Mittelgrunde ein Stachelschwein auf der Wiese sitzt. Doch naht
sich das Unheil bereits mit leisen Schritten. Durch das kleine Fensterlein der Hütte sieht der Teufel
mit listigen Augen herein und wartet auf die Gelegenheit zu seinem Erscheinen. Und am linken Flügel
ist die Hölle sogar schon in vollem Aufruhr und bedrängt mit ihren unheimlichen Gestalten den heil.
Antonius, der zum Flusse herabgestiegen ist, um daraus Wasser zu schöpfen. Der Teufel hat sich auf
die Aeste eines dürren Baumes gesetzt, hat den Vorhang, der dazwischen ausgespannt ist, wie von

1 Siehe, p. 109.

2 Nr. 651, Mittelbild, 83-j Cm. hoch, 61 Cm. breit; jeder Flügel 83*5 Cm. hoch, 29 Cm. breit.
 
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