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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Dollmayr, Hermann: Hieronymus Bosch: und die Darstellung der vier letzten Dinge in der niederländischen Malerei des XV. und XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0331
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290

Hermann Dollmayr.

als Sclavin diente, aus dem Rausche erwacht, in den ihn der Statthalter Felix versetzte, um dem armen
Opfer seinen Beschützer zu rauben. Scheu und bestürzt drängt sich das Volk um das Marterholz und
nur der Statthalter und seine Leute bewahren ihre feste Ruhe, zucken die Achseln oder halten der
Jungfrau ihre Hartnäckigkeit vor.

Auf dem rechten Flügel sehen wir den unheilvollen Hafen von Capo Corso, wo Eusebius mit
Julia gelandet war und wo die Einwohner den Göttern jene Opfer darbrachten, welche die Hei-
lige im frommen Eifer verschmähte. Auf dem linken erscheint wieder der heil. Antonius, diesmal aus
dem Gebete durch ein keckes Teufelchen aufgeschreckt, das mit einer Legion anderer seine Hütte er-
füllt. Doch kümmert er sich nicht allzuviel darum, so wenig wie um die brennende Stadt im Hinter-
grund, aus der die eiligen Bewohner mit ihren Habseligkeiten flüchten.

Ist schon das erste Bild durch seine feingetönte Landschaft hervorragend, so ist es noch viel mehr
dieses zweite. Die ferne, blaue Bergkette, die dunkelgrünen Hügel mit ihrem silbernen Flusse, der ver-
witterte Felsen zur Linken und ganz besonders der Hafen rechts, der mit seinen gestrandeten Galeeren,
seinen zu den barbarischen Anwohnern passenden merkwürdigen Bauten und dem grossen Fische, der
soeben gefangen wird, einen fast unheimlichen Eindruck macht, stellen den Meister Hieronymus weit
über seine Zeitgenossen und Vorgänger. Er ist vor Allem, was Justi so mit Recht betont, ein echter
Maler, ein Künstler, der nicht nur mit guten Einfällen und vorzüglicher Darstellungskraft, Phantasie,
Humor und feiner Beobachtung begabt ist sondern der auch seinen Bildern stets eine wirkungsvolle
Stimmung zu geben und ihre Farben glänzend zu behandeln versteht, so dass wir, lange noch bevor
uns das Einzelne packt, von ihrem Klange angezogen werden.

Die Frage, die sich der Kunsthistoriker stellt, woher Bosch das Alles haben mag, ist nicht so leicht
zu beantworten. Justi meint, aus seiner Malweise würde man folgern, dass er seine Jugend in Brüssel &
oder Antwerpen verbracht hätte, und findet1 die Typen der heil. Familie und der Patrone auf der An-
betung der Könige im Prado unverkennbar vom Stamme der Roger und Bouts, womit er im Allge-
meinen auch Recht haben mag, obgleich es mir immer so vorkommen will, als ob sich bei Bosch noch
schärfere Einflüsse, von der Schule Ouwaters her, geltend machten und als ob vielleicht die Werke des £
Geertgen von Haarlem besonders auf ihn gewirkt hätten. Eine Verwandtschaft zwischen den Köpfen
dieses und unseres Künstlers ist nicht leicht zu verkennen. Auch hat Bosch, was seine Technik, die
stellenweise trockene, pastos aufgesetzte Farbe mit kantigen Umrissen, anbelangt, viel mit dem von
G. Glück reconstruirten Jan Mostaert,2 einem späten Ausläufer dieser Schule, zu thun. Doch ist dar-
über, wovon uns gerade das Wichtigste fehlt, einstweilen noch schwer zu urtheilen.

Gehen wir nun zu den übrigen Bosch genannten Tafeln über und untersuchen wir, wie sie sich zu
denen in Wien verhalten, so erkennen wir, dass vor Allem sein berühmtestes Werk, die Anbetung der
Könige im Prado (Taf. XXXVII), mit ihnen übereinstimmt, ein Werk, das wir zu den hervorragend-
sten Leistungen der altniederländischen Malerei überhaupt zählen müssen, wenn wir nur halbwegs
seiner originellen Auffassung, seinen lebendigen Gestalten, ihrer mannigfaltigen Erscheinung und ihrem
charakteristischen Ausdrucke sowie den malerischen Qualitäten gerecht werden wollen. Dass dieses
Urtheil nicht übertrieben ist, beweist kein Geringerer als Peeter Brueghel der Aeltere, der die prächtige
Figur des in weissem Mantel auftretenden Mohrenkönigs mit einigen unbedeutenden Veränderungen
auf seiner Anbetung der heil, drei Könige wiederholte, die sich gegenwärtig in der Sammlung des
Herrn Georg Roth in Wien befindet, sowie sein kaum viel weniger geschätzter Sohn, Jan Brueghel der
Aeltere, der sogar die ganze Composition auf seinem feinen Bildchen Nr. 908 der Wiener Galerie ver-
wendete.3

Für unseren modernen Geschmack wäre vielleicht nur Eines daran anstössig, die katzenartigen Be-
wegungen des Gefolges, das sich um den Stall von Bethlehem schaart und das aus allen seinen Ritzen und

1 S. 122 und 128.

2 v. Lützow, Zeitschrift für bildende Kunst 1896.

3 Directe Copieri nach dem Mittelbilde kenne ich zwei. Die eine ist im Besitze des Herrn Dr. Fortunat v. Schubert-
Soldern, die andere im spanischen Privatbesitz. Laurent in Madrid hat sie (Nr. 750 seines Kataloges) photographirt.
 
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