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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Dollmayr, Hermann: Hieronymus Bosch: und die Darstellung der vier letzten Dinge in der niederländischen Malerei des XV. und XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0346
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Hermann Dollmayr.

zwingendere Gründe haben, wollen wir es bei dem Monogrammisten SD belassen. Dass seine vier
Hauptwerke bis jetzt noch nicht erkannt worden sind, liegt einzig an dem Umstände, dass sich drei
davon in Spanien befinden, dass sie dort immer als Bosch galten und von Niemand wirklich genau
mit einander verglichen wurden, wozu ihre besondere Grösse und ihr poetischer Gehalt noch das Ihre
beitragen mochten.

Der Monogrammist CB ist es wahrscheinlich, der den Höllenspectakel im grossen Stile in die Kunst ^
einführte und der jene Monstrositäten schuf, gegen die Quevara Bosch verwahren will. Mag er ihm auch
gerade nichts Uebles nachsagen, so lassen doch seine Worte erkennen, dass er seinen Arbeiten nicht den
gleichen Werth beimisst wie denen des Bosch. Diesen gegenüber fallen sie stark ab. Sie sind eintönig.
Nichts verräth wie bei Bosch den weiten Blick, der Alles in den Kreis seiner Betrachtung zieht und der
bald hier, bald dort im Leben etwas entdeckt, das ihn reizt, es mit dem Salze seines Witzes zu zer-
legen. Bei ihm bleibt Alles in dem engen Rahmen einer Kapuzinerpredigt von Hölle, Tod und Teufel
und, wo er wirklich einmal, wie bei der Steinoperation, das warme Leben streift, schafft er bloss eine
frostige Illustration eines Sprichwortes, wovon man ruhig sagen könnte, dass ihm Meister Hieronymus
einen anderen Ausdruck verliehen hätte. Wäre es mit meiner Studie darauf abgesehen, über Bosch
eine Monographie zu schreiben, so müsste ich dieser seiner Seite in erster Linie gerecht zu werden
suchen. Da ich aber hier nur seine Gemälde im Auge haben wollte und seine Genrescenen nur im
Kupferstiche erhalten sind, so will ich ihre Behandlung auf einen Zeitpunkt verschieben, wo sie sich,
ebenso wie seine Zeichnungen, besser in den Zusammenhang einordnen werden.

Indem ich schliesslich der Werke gedenken möchte, die sich meinem Urtheile entzogen, der von
A. Michiels1 erwähnten beiden Antoniusversuchungen, die er im Besitze des Herrn Quedeville, und des X
Sturzes der Verdammten, den er bei der Comtesse Duchätel sah, des Abstieges Christi in den Limbus
(Hampton Court, Nr. 753), der Erschaffung der Welt bei Madame Layard in Venedig und der heil. Familie
zu Neapel (Museum, Saal V, 3g), die mir nicht einmal durch Photographien bekannt geworden sind und
von denen ich daher nicht sagen kann, wie sie sich zu den besprochenen Gruppen stellen, will ich zu
guter Letzt auch die namhaft machen, die mit unserem Kreise gar nichts zu thun haben. Es sind das der
künstlerisch bedeutende Engelsturz der Brüsseler Gallerie (3 A), der dort noch immer als Bosch auftritt,
obwohl bereits alle Kenner darüber einig sind, dass er ein Werk des P. Brueghel des Aelteren ist, und auf
dem sich, wie verlautet, nun endlich auch unter dem Rahmen die Signatur »Brueghel MDLXII« ge-
funden hat; die Copie des Kupferstiches der Ira aus den Sieben Todsünden desselben Meisters, die der
Katalog zu Rouen als Hexe verzeichnet, die zum Sabbath kommt; die Versuchung des heil. Antonius
zu Utrecht (Nr. 2 im Museum Kunstliefde); die Steinoperation der Amsterdamer Gallerie, die übrigens
wie das vorausgehende Bildchen von einem herzlich unbedeutenden Maler herrührt; die der Schule des
Gerard David nahestehende Anbetung der Könige in Turin (Museum Nr. 3og); die grosse Versuchung
des heil. Antonius in der Gallerie Colonna zu Rom und derselbe Vorwurf im Prado, Nr. 1176.

Ebenso muss ich die von C. Justi für Bosch in Anspruch genommene Geburt Christi (Köln, Mu- i
seum Nr. 187) ablehnen, die, wie ihre Wiederholung zu Brüssel (Nr. i3i), höchstens der Composition
nach eine entfernte Aehnlichkeit mit ihm hat. Vielleicht kann ich ihren Urheber in nächster Zeit
nennen. Nur eine verkürzte Copie nach dem rechten Flügel der »Weltlust« ist endlich die kleine als
Visio Tondalij bezeichnete Tafel im Prado, Nr. 1181.

Damit wären die dem Bosch zugeschriebenen Werke in Gruppen geordnet, die, untereinander
völlig gleichartig, sich gegenseitig ausschliessen und einander zeitlich ablösen. Wir haben zugleich
bei dieser Scheidung Künstler gestreift, deren Lebenszeit bereits über das XVI. Jahrhundert hinausläuft.
Bald begann man Höllen- oder in dieser Zeit vielmehr bereits Hexenscenen allenthalben zu malen. X
Es scheint mir daher nicht uninteressant, die Untersuchung auch auf die Frage auszudehnen, wieso
es kam, dass gerade damals diese Gegenstände in der Kunst zu solcher Bedeutung und zu solchem
Inhalte gelangten.

1 Histoire de la peinture flamande IV, pag. 226.
 
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