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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Dollmayr, Hermann: Hieronymus Bosch: und die Darstellung der vier letzten Dinge in der niederländischen Malerei des XV. und XIV. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0391
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Hieronymus Bosch und die Darstellung der vier letzten Dinge. 3/^.3

Die Schmiede, in der man die Seelen zusammenschweisst, ist bei ihm eine idyllische Dorfschmiede
geworden, unter deren Vorbau zwei Teufel einem Manne und einer Frau, wie Pferden, glühende Huf-
eisen an die Sohlen schlagen; die Haspel der Visio Tondali hat sich in alle Gattungen Tret-, Stampf-
und Sägemühlen verwandelt; das Haus der Unmässigen ist als grosse Küche hingestellt, wo fleissig ge-
sotten und gebraten wird und womit auch ein Keller verbunden ist, in dessen Fässer die Teufel einen
Trank keltern, der nicht gut anzudeuten ist u. s. f. Vor diesen Dingen, besonders dem letzten, be-
greifen wir, dass sie Don Quevara seinem geschätzten Meister Hieronymus erspart wissen will. Wie
aufmerksam aber Bosch darin studirt ist und wie gelegentlich einzelne seiner Gedanken und Einfälle
verwerthet wurden, beweist der Riese, der auf dem rechten Flügel unseres Gerichtes auf allen Vieren
kriecht und welcher der Zwillingsbruder von dem ist, den Bosch auf dem linken Flügel seiner Lissa-
boner Versuchung des heil. Antonius sich durch einen Hügel zwängen lässt.

Und nun zum Schlüsse. Wo man dem Teufel so viel Aufmerksamkeit schenkte, konnte man
auch an den heiligen Männern nicht achtlos vorbeigehen, die den Kampf mit ihm so oft und so erfolg-
reich bestanden hatten. Sie waren ja gerade der Stab, an dem man sich aufrichtete. Es ist daher
gleichfalls nur eine Folge der herrschenden Geistesrichtung, wenn jetzt in der Kunst die Versuchungen
des heil. Antonius, des Christophorus und wie bei Mandyn in Douai des Hiob häufiger werden. Sie,
die solche Siege über den Erbfeind erfochten hatten, durften in.diesem Kreise nicht fehlen. Sie waren
es ja auch, zu denen man vertrauensvoll emporblickte, wenn der Teufel den Menschen das Fleisch zu
vexiren begann. Denn unsere Zeit ist zugleich die Zeit der Predigt zur Busse und zur Abtödtung des
Fleisches und darum ist jenes grosse Gemälde im Escorial — der Heuwagen — gewissermassen der
Schlussaccord, in den unsere Phantasie ausklingt, er, der wie ein Triumphwagen von Kaiser und
König, Papst und Cardinälen, Clerikern und Laien jubelnd umdrängt, von den sieben Ungeheuern
aber, die an seine Deichsel gespannt sind, den Todsünden, und am Schlüsse des Zuges von dem grossen
Schnitter, dem Tode, leise zur höllischen Scheuer geleitet wird, wohin man solche Ernte einbringt;

Denn alles Fleisch ist wie Heu

Und seine Herrlichkeit wie die Blume des Feldes (Jesaias 40, 0).
 
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