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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Albert Ilg
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0404
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Albert Ilg.

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bewegen, das philologische Studium zu verlassen und sich mit Begeisterung jenem der Kunst zuzu-
wenden, werkthätig unterstutzt von Eitelberger selbst, der mit raschem Blicke die Elemente einer
hervorragenden Geisteskraft in ihm entdeckt hatte.

Mit dieser energisch getroffenen Wahl hatte sich Ilg einem Berufe zugewendet, für den sein
Denken und Fühlen, sein ganzes Wesen geschaffen war und für den er, unterstützt von einem leb-
haften Gefühle für alles bildlich Schöne, einem hervorragenden Talente, scharfem kritischen Verstände
und einem aussergewöhnlich guten Gedächtnisse Alles mitbrachte, was zu den schönsten Hoffnungen
für die Zukunft berechtigen konnte.

Eitelberger liess sich auch als Director des neugegründeten österreichischen Museums für Kunst
und Industrie eine so vielversprechende Kraft nicht entgehen. Noch während seiner Studienzeit bewog
er ihn, als Volontär einzutreten, um sich in den praktischen Dienst in einem Museum tüchtig einzu-
arbeiten, und schon am 3o. Mai 1871, nach erhaltenem akademischen Absolutorium, wurde er zum
Aushilfsbeamten an dem genannten Museum ernannt; am 12. December 1871 erfolgte seine definitive
Anstellung als Official dortselbst. Am 27. Juli 1872 wurde er vom Unterrichtsministerium zum Docenten
der Kunstgeschichte an der neuerrichteten Kunstgewerbeschule des österreichischen Museums ernannt.
Damit begann seine öffentliche Lehrthätigkeit.

Mit rastlosem Eifer und mit Aufwendung aller physischen und geistigen Kräfte widmete sich
Ilg nun den schweren praktischen und wissenschaftlichen Aufgaben der jungen Anstalt, geführt von
der Hand seines verehrten Meisters. In hellem Lichte trat schon damals seine hohe schriftstellerische
Begabung hervor, der er auch bis an sein frühes Ende den bedeutendsten Theil seines verdienten Rufes
zu danken hatte.

Inmitten der anstrengendsten Arbeiten bei Aufstellung der Sammlung in dem neuen Gebäude am
Stubenring fand er noch Zeit und Müsse zur Bearbeitung schwieriger kunsthistorischer Themen, die
er in zahlreichen Abhandlungen in den Mittheilungen der k. k. Central-Commission für Erforschung
und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale und in jenen des k. k. österreichischen Museums
behandelte, so in ersteren den Codex des Znaimer Stadtrechtes, die Philosophie der Todesvorstellungen
im Mittelalter, Dürer's Melancholie etc., in letzteren die Kunst der Siebenbürger Sachsen, die ältere
Glasindustrie in Wien, die Industrie des Grödenthales in Tirol, die Spitzenfabrikation im böhmischen
Erzgebirge etc.

Im Jahre 1871 gründete Eitelberger die Quellenschriften zur Kunstgeschichte und Kunsttechnik
und Ilg betheiligte sich daran, nicht nur an dem redactionellen Theile mit seltenem Geschicke sondern
auch als Mitarbeiter, zu deren besten und fleissigsten er zu zählen ist. Er eröffnete den Reigen der
Quellenwerke dieses für das Studium der Kunstgeschichte unentbehrlichen Sammelwerkes mit einer
viel belobten Wiedergabe und Erklärung des Buches von der Kunst des Andrea Cennino Cennini.
Dieser ausgezeichneten Arbeit folgte »die Lehre des Heraclius von den Farben und Künsten der
Römer«, Biondos Schrift: »della nobilissima pittura« und die »Schedula diversarum artium des Pres-
byters Theophilus«.

Was Ilg in Angriff nahm, verfolgte er mit glühendem Eifer bis in die unscheinbarsten historischen
Einzelnheiten hinein und seine Arbeiten lassen durchwegs eine staunenswerthe Vielseitigkeit des
Wissens und einen seltenen Scharfblick erkennen. Dabei bekundete er in allen seinen Unternehmen
einen fieberhaften Fleiss und eine beispiellose Ausdauer, Eigenschaften, wie sie eine junge Anstalt von
einem Mitarbeiter nur ersehnen kann, welche berufen ist, die hohen Ideale der Schönheit mit den
Empfindungen des modernen Lebens in Einklang zu bringen. Und in der That, es ist erstaunlich,
was Ilg vom Jahre 1870 bis zu seinem Uebertritte in die kunsthistorischen Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses auf kunstwissenschaftlichem Gebiete geleistet hat. Aber gerade diese frühen
Anstrengungen mochten verderbend auf die Lebenskräfte Ilgs gewirkt haben; denn der allzugrossen
Anspannung der Kräfte musste sein Organismus auf die Dauer erliegen.

Aus der Unzahl von Arbeiten jener Zeit heben wir seine Dissertationsschrift zur Erlangung des
Doctorgrades an der Universität zu Tübingen: »Ueber den kunsthistorischen Werth der Hypneroto-

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