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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 20.1899

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I. Theil: Abhandlungen
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Boeheim, Wendelin: Die Waffenschmiede Seusenhofer, ihre Werke und ihre Beziehungen zu habsburgischen und anderen Regenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5730#0327
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284 Wendelin Boeheim.

Ganzes herzustellen vermochte. Zu einem einzigen Harnische bedurfte es der Arbeit von fünf bis sechs
und wohl auch mehr Meistern: des Pruners, des Sarwürchers, des Helmschmieds, dann jener Meister,
welche nur auf Armzeug, und jener, welche nur auf Beinzeug, ja selbst nur auf Handschuhe auf-
geschworen hatten. Alle diese wachten eifersüchtig auf jeden geringsten Uebergriff.1 Erst mit der
allgemeinen Einführung des Plattenharnisches, nach welcher die Pruner völlig ausstarben und die
Sarwürcher erheblich zurücktraten, fingen die übrigen an, vollendete Harnische zu erzeugen; nur die
Helmschmiede beharrten noch eine Zeitlang auf ihrem alten Rechte.

Die Einführung, um nicht zu sagen, die Erfindung des Plattenharnisches hatte aber noch weit
grössere geschäftliche Erfolge, als sich durch Aufhebung der Beschränkung der Einzelnen auf be-
stimmte Harnischtheile darboten. Der nun complet aus einer Hand gelieferte Harnisch wurde in
reissender Schnelligkeit zum beliebtesten, bewundertsten und begehrtesten Gegenstand in allen Ländern
Mitteleuropas. Die Herrscher, die Ritterschaft, die Bürger der Städte wurden von einem fieberhaften
Eifer erfasst, sich mit dem neuen, gefälligen und übertrieben belobten Waffenkleide auszustatten; da
verfügten die wenigen Werkstätten, welche existirten, nicht über Hände genug, um dem Anstürme
von Bestellungen zu entsprechen. Dazu trat in einer kunstfreundlichen, der Entfaltung von Pracht
zugeneigten Zeit das allgemeine Verlangen nach Ausstattung des Harnisches gleich einem reich ge-
schmückten Kleide.

Diese beispiellos günstigen Verhältnisse brachte von etwa 1480 bis 1560 die Colonie von Mühlau
zu einem bedeutenden Wohlstande und einige Tüchtigere darunter kamen zu ansehnlichem gesell-
schaftlichen und künstlerischen Ansehen. Die ererbte Eifersucht war unter den Einzelnen rasch ge-
wichen, das Bedürfnis, das Interesse einigte sie; es erweist sich dies deutlich durch die nun häufig auf-
tretenden Verschwägerungen untereinander.

War die Industrie zu Mühlau im XV. Jahrhundert, wie einige Urkunden andeuten, augenschein-
lich unter mailändischem Einfluss entstanden,2 so nationalisirte sie sich doch rasch durch Zuzug von
Elementen aus den übrigen deutschen Ländern und den Niederlanden und bildete sich allgemach selbst-
ständig aus. Auch in der decorativen Ausstattung gelangte der Tiroler Harnisch zu grosser Beliebtheit.
Begreiflicher noch wird man diese grossen wirtschaftlichen Erfolge der Plattner Mühlaus finden, wenn
man einestheils die Vortheile in Betracht zieht, welche diese in dem billigen Bezug der steirischen
Rohwaare genossen, und anderntheils erwägt, dass König Maximilian, der erste Waffentechniker
seiner Zeit, bis in seine letzten Lebenstage in künstlerischer wie in technischer Beziehung die Führung
im Plattnerwesen behielt.

Unsere frühesten urkundlichen Nachrichten von 1451 weisen auf die Fertigung von Mühlauer
Plattenharnischen für Erzherzog Sigmund, die schon damals »Krebse« genannt werden. 1452 erhält
dieser nicht weniger als deren fünf und es scheint, dass er durch die Vermittlung des Jakob Trapp
noch einige in Mailand erwarb.

In das Jahr 1460 fällt eine bedeutendere künstlerische Arbeit aus Mühlau; es ist der Harnisch,
welchen Erzherzog Sigmund seinem späteren Schwiegervater, dem Könige Jakob I. von Schottland,
sendete.3 Die urkundlichen Daten weisen daraufhin, dass dessen Verfertiger, Christian Schreiner,

1 Feil Jos., Beiträge zur älteren Geschichte der Kunst- und Gewerbethätigkeit in Wien, Berichte und .Mittheilungen
des Alterthumsvereines zu Wien, III. Bd. (1859), S. 204. Eid- und Innungsordnungenbuch der Stadt Wien, Blatt 43 a:
Der helbenschmied und plattner recht: »auch sollen die obgenanten zwai hantwerch und darzu die brunner jetweders
dem andern in sein hantwerch nicht vallen.« Wenn Blatt 44 a in dem Plattnerrecht von »Erichtag vor Allerhayligen tag« 1469
zu lesen ist: »Es sollen keine meister sein, die nicht und mit der hant können machen ainen ganzen mannsharnasch,«
so bezieht sich das nicht mehr auf den Harnisch mit Lentner sondern auf den Plattenharnisch ohne den Helm, wie das
in Blatt 45 »der sarburher recht« auch angedeutet ist.

2 Der Plattner Pancraz (Häckl) wird 1460 von Erzherzog Sigmund nach Mailand gesendet, um dort die Plattner-
werkstätten näher ins Auge zu fassen und dort sich zu belehren.

3 Der Erzherzog sendete dem Könige nicht allein diesen Harnisch. Unter dem 12. Juni lesen wir in den Rechnungs-
büchern: »Dem Wolf von Hattlingen fuhrlon mit drei rossen den harnasch, armbrost und ander ding (eine Armrust und
ein Bolzenköcher, beide reich ausgestattet), das der Pechel (rheinabwärts) gen Schottland gefuert hat, gen Bregnicz (Bregenz)
mit zwaien pferden, (zu führen) 32 pfund berner.«
 
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