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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0073
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Wolfgang Kallab.

celli1 hat die Aussicht in ein flaches Thal, durch das ein Fluss fliesst, in die Ebene mit ein paar Bäumen
und hoher Luft grossen Reiz. Domenico Ghirlandajo2 durchbricht auf zwei Fresken sogar die Seiten-
mauern der Kirche, um den Ausblick ins Freie zu gewinnen.

Dem Aufbau der Landschaften wird wenig Sorgfalt zugewendet. Wenige Motive sind so gross
gesehen, dass sie einen Hintergrund allein zu füllen vermöchten; meist werden nur kleinere Ab-
schnitte aus der Natur scharf beobachtet und der Naturalismus ist in seiner ersten Periode fast
gleichbedeutend mit der Vereinzelung der Objecte. Trotzdem besteht das Bedürfnis, ein möglichst
grosses Stück Welt abzubilden. Und da die Naturbeobachtung für die Wiedergabe der grossen Züge
des Gebirges und die allgemeinen Verhältnisse der Landschaft nicht zureicht, so wird dieser Mangel

Fig. 38. Benozzo Gozzoli, Aus den Fresken der Capella Riccardi.

durch die verwirrende Fülle von mosaikartig angereihten Einzelheiten verdeckt. Wenige Künstler
tragen bei der Composition dem Charakter und der Stimmung der Motive Rechnung; die hetero-
gensten werden oft durcheinandergewürfelt, so dass es zuweilen scheint, die Maler suchten absichtlich
das Absonderliche, Bizarre. Benozzo Gozzoli ist der Hauptvertreter dieser rücksichtslosen Compo-
sitionsweise. Ein grosser Vorrath von eigenen Motiven steht ihm zu Gebote, zuweilen scheinen ihn
sogar Erinnerungen an wirkliche Gegenden zu leiten; ebensowenig als er sich scheut, conventionell
gebildete Felsgebirge in die naturalistischen Thallandschaften einzustreuen, schreckt er davor zurück,
Vorder- und Hintergrundsmotive durcheinanderzubringen und ferne Hügel mit Details auszustatten,
die in ihrer bis in das Einzelne gehenden Durchbildung für die Nähe passen. Der Aufbau seiner
Landschaften ist dürftig; die Hügel mit den runden Kuppen und die Felsen mit den ausgewitterten
Höhlen kehren immer wieder; die Stärke des Malers sind die kleinen Ausschnitte aus der Natur, wo
er oft überraschend treu und mannigfaltig zu beobachten weiss. Wie seine ganze Darstellungsweise

1 Rom, Gallerie Chigi.

2 Exequien der heil. Fina, San Gimignano; Exequien des heil. Franciscus, Florenz, Santa Trinitä.
 
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