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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0136
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Ercoles I., das Missale Ippolitos I. und das Officium Alfonsos l. sowie die grossen Corali des Domes
und der Certosa gehören zu den vollendetsten Erzeugnissen dieser Art. Eine Reihe vortrefflicher Mi-
niatoren, deren künstlerische Bedeutung sie weit über das Handwerkmässige ihres Metiers erhebt, steht
hier den besten Tafelmalern Ferraras ebenbürtig zur Seite, ja noch deutlicher als diese geben sie ein
Bild von den Kunstströmungen am estensischen Hofe.

Drei Söhnen Niccolös III. war es vorbehalten, die Stadt Ferrara zu geistiger und künstlerischer
Bedeutung zu erheben: Leonello, Borso und Ercole I., Brüdern und doch so grundverschieden
in ihrem Charakter, ihren geistigen Neigungen und künstlerischen Interessen. Freilich liegt zwischen
Leonellos Thronbesteigung (1441) und Ercoles Tod (1505) ein Zeitraum von mehr als 60 Jahren und
es war eine Zeit, in der das pulsirende künstlerische Schaffen rastlos vorwärts drängte. Reichthum und
Prunkliebe befähigten die Este zu eifriger Förderung der Kunst und sie verstanden es, grosse Geister
und grosse Künstler an ihren Hof zu fesseln. Ein sichtbares Zeugnis ihres Kunstsinnes waren die zahl-
reichen Schlösser, die reichen Sammlungen und die kostbare Bibliothek, in welcher die prächtigen
Miniaturhandschriften einen besonderen Ehrenplatz einnahmen. Derjenige, der den
Grund zu dem geistigenund künstlerischen Leben inFerraragelegthatte,warLeonello.

Leonello

(26. December 1441—1. October 1450).

ls Leonello den Thron bestieg, war er trotz
seiner Jugend einer der gebildetsten Fürsten
Italiens. Die Vielseitigkeit seiner Bildung
sowie die Regsamkeit seines Geistes machte
ihn zum Begründer des geistigen und künst-
lerischen Lebens in Ferrara. Sicherlich war
er der feinsinnigste Fürst aus dem Hause
Este, aber auch ausgestattet mit allen ritter-
lichen Eigenschaften eines Edelmannes. Bei
Braccio di Montono aus Perugia hatte er
die Kriegskunst gelernt und Guarino da Ve-
rona, einer der berühmtesten Humanisten
seiner Zeit, führte ihn in die classischen
Sprachen ein, in denen er es zu solcher Voll-
endung brachte, dass er selbst lateinische
Gedichte verfasste und als erster die Falsch-
heit des Briefwechsels zwischen Seneca und
Petrus nachgewiesen haben soll.1 Bei einem Fürsten von so gelehrtem Wesen ist
ein Aufschwung der Universität sowie eine Bereicherung der Bibliothek selbst-
verständlich. Guarino, Theodoras, Gaza, Giovanni Aurispa, Michele Savonarola lehrten an der
Hochschule und hervorragende Gelehrte und Dichter fanden bei Leonello wohlwollendes Entgegen-
kommen.

Fig. 5. Initiale des Guinifortus de Vico-
mercato in dem Olivetanergraduale N.
(Ferrara, Museo di Schifanoja.)

29 Aprile 1862); Notizie relative a Ferrara (1864), p. 69—71 und p. 638—644; Documenti ed illustrazioni risguardanti la
storia artistica ferrarese (1868), p. 171—181. Gius. Campori: Notizie dei miniatori dei principi Estensi, Mod. 1872, a.a.O.
A. Venturi: I primordi dei rinascimento artistico a Ferrara, in Rivista storica italiana I, 591; L'Arte a Ferrara nel periodo
di Borso, in Rivista storica italiana II; L'Arte ferrarese nel periodo d'Ercole I d'Este, in Atti e memorie della R. deputazione
di storia patria per la provincia di Romagna, III. serie, vol. VI und VII (1888—1889); La miniatura ferrarese nel secolo XV
e il Decretum Gratiani, in Le Gallerie nazionali italiani IV (1898), p. 187—209. Gustave Gruyer: L'Art ferrarais a l'epoque
des princes d'Este, Paris 1897; besonders Band II, p. 415—451: La miniature.

1 Vgl. G. Voigt, Die Wiederbelebung des classischen Alterthums (1880), Band I, S. 567, der wohl mit Recht ver-
muthet, dass diese Entdeckung von Guarino herrühre und dem Leonello nur »aus Höflichkeit unterschoben wurde«.
 
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