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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0139
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Hermann Julius Hermann.

Pastis lässt schon auf die Pracht des Manuscriptes schliessen, so dass dessen Verlust um so beklagens-
werther ist. Pisanello, in dessen Begleitung de'Pasti nach Ferrara kam, mag Leonello auf den gesandten
Schüler aufmerksam gemacht haben, der nun für den Marchese nicht nur als Medailleur sondern auch als
Miniator thätig erscheint. Jedenfalls hatte Giorgio Tedesco den Hauptantheil, wie aus dem von Cam-
pori (Docum. VI) mitgetheilten Document (vgl. Anhang, Nr. 17) hervorgeht. Offenbar als Gehilfe stand
Magnanino. jnm Magnanino zur Seite, an den 1446—1448 Zahlungen für mehrere Quinternen geleistet werden. Es
ist fraglich, ob sich auf ihn ein Brief eines Jacopo Magnanino an Borso (7. November 1461) bezieht, in
welchem sich der Schreiber entschuldigt, dass er einen Bruder des Gaspare dall' Organo, der bei Giorgio
die Miniaturmalerei erlernen wollte, abgewiesen habe (Campori, a. a. O., p. 248, Anm. 2). Bemerkens-
Gugiicimo werter erscheint Guglielmo Giraldi, der später einer der bedeutendsten Miniatoren Ferraras werden
"J sollte. Da ich später eingehend auf diesen Meister zu sprechen komme, sei hier nur erwähnt, dass auch
er an dem Breviar betheiligt war, wofür er 1445 und 1447 (vgl. Anhang, Nr. 17 und 19) Zahlungen er-
hielt. Ob Giraldi als Gehilfe des Giorgio auf-

zufassen ist, wird nirgends gesagt; doch ist
dies sehr wahrscheinlich, da einerseits Gior-
gio als leitender Meister erscheint, anderer-
seits Giraldis Stil, wie wir sehen werden, eine
Aehnlichkeit mit dem des wohl jüngeren
Martino da Modena, Giorgios Sohn, hat
(vgl. Anhang, Nr. 17—21).

Ueber Giorgios Stil sich ein Bild zu
machen, ist schwer, da auch seine übrigen
Werke verschollen sind; eine Ausnahme
bilden die Miniaturen eines Quinternio der
berühmten Bibel des Herzogs Borso, den
ich zu identificiren versuchen werde. Ausser

Fig. 6. Mercur, Miniatur aus dem »Uber physiognomiae«, pag. X. dem Breviar führte Giorgio noch mehrere

(Modena, HM. Est., Cod. lat. Dcxcvii). Werke aus, die sämmtlich untergegangen

sind. In erster Linie ist ein Missale zu nen-
nen, das er in der Zeit von 144g bis 16. März 1457 ausführte; ich werde darauf bei Besprechung der
Zeit Borsos zurückkommen, in welcher Giorgio eine rege Thätigkeit entfaltete. Soviel kann schon
hier gesagt werden, dass Giorgio d'Allemagna einer der hervorragendsten Miniatoren Ferraras und
vor Allem dadurch bedeutsam war, dass sich ihm zahlreiche Schüler angeschlossen haben, unter die
wohl sein Sohn Martino und Guglielmo Giraldi zu rechnen sind.
Marco Der Ferrarese Marco dell'Avogaro führte gleichfalls mehrere Aufträge für den Hof aus. Von

i'Avogaro. kö^en wjr nur Miniaturen in der Bibel des Herzogs Borso als sicher erhalten ansehen, so dass
die Frage nach seinem Stil erst bei Besprechung dieses Hauptwerkes der ferraresischen Miniaturmalerei
in Erwägung gezogen werden kann. Zudem gehört die Mehrzahl seiner Werke der Zeit Borsos an, so
dass hier nur erwähnt sei, dass Marco dell' Avogaro am 14. November 144g für zwei Titelblätter
(»a l'antiga«) und zahlreiche Initialen in einem von »Guielmo scriptore et de ser Biasio da Cremona
scriptori« (siehe S. 12g, Anm. 2) geschriebenen Codex des Alexander von Haies 56 Lire 14 Soldi (vgl.
Anhang, Nr. 22) und am 3o. September 1450 weitere 48 Lire 10 Soldi für die Initialen in den zwölf
von »Guielmo de Roma« geschriebenen Quinternionen dieser Handschrift erhielt, ebenso am 23. März
1450 Zahlungen für einen Augustinus u. a. m. (vgl. Anhang, Nr. 22—25).

Sicherlich kann das leider verschollene Breviarium Leonellos1 als das Hauptwerk der Miniatur-
malerei der Zeit des Marchese bezeichnet werden. Müssen wir den Verlust dieses Kunstwerkes auch

1 Mit Unrecht vermuthet Venturi (1 primordi etc. und noch in seinem letzten Aufsatz: »La miniatura ferrarese nel se-
colo XV e il Decretum Gratiani«, in Le Gallerie nazionali italiane IV (1899), P- 187 fr.), dass sich dieses Breviar im Besitze
 
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