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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0142
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Pag. XV, oben: Sternbild des Wassermannes;

unten: in der Mitte: vor einem achtstrahligen Stern Saturn, mit einer Krone auf dem Kopf, mit
einer Fahne; darüber Steinbock (Einhorn) und Wassermann (vgl. Pag. XIV);
links: Greis, auf eine Krücke gestützt;

rechts: Greisin (vgl. das VII. Fresco Guarientos, rechte Wand: Saturn).
Pag. XVI (fälschlich wieder mit XV bezeichnet), oben: Sternbild der Fische;

unten: in der Mitte: vor einem achtstrahligen Stern Jupiter, als König thronend; darüber Fische
und Schütze (vgl. Pag. XIII).
links: Gelehrter in der Zeittracht;

rechts: Frau in schwarzer Kutte, betend (vgl. das VI. Fresco Guarientos, rechte Wand: Jupiter).

Fig. 8. Venus, Miniatur aus dem »Uber physiognomiae«, pag. XI.
(Modena, Bibl. Est., Cod. lat DCXCVII).

Künstlerisch stehen die zum Theil reizenden Zeichnungen dem Stile des Pisanello nahe. Besonders
deutlich illustrirt dies die Darstellung auf Pag. XI (Venus, Fig. 8), die sich durch grosse Sicherheit der
Zeichnung und höchste Anmuth auszeichnet. Nicht nur die Tracht, auch der ganze Stil der Zeichnung
mahnt an Pisanello: der lange Hals, die Zeichnung der Stirne, das Profil u.a.m. Dürfen wir auch nicht
an Matteo de'Pasti selbst denken, so rühren die Zeichnungen jedenfalls von einem dem Kunstkreise des
Pisanello nahestehenden Künstler her, der in Padua Guarientos Fresken gesehen hat und in seine For-
mensprache umsetzte. Leider bietet die Handschrift, deren Entstehungszeit um die Mitte des XV. Jahr-
hunderts anzusetzen ist, keine sicheren Anhaltspunkte dafür, ob sie für einen Prinzen aus dem Hause
Este ausgeführt wurde. Die Beziehungen Leonellos zu Verona, die Vorliebe der Este für astrologische
Darstellungen, von der die Fresken des Palazzo Schifanoja Zeugnis ablegen, lässt es jedoch als wahr-
scheinlich erscheinen, dass der Codex für Leonello oder Borso ausgeführt wurde. Auch finden sich in
dem Inventar der Bibliothek Borsos1 aus dem Jahre 1467 mehrere Werke ähnlichen Inhalts erwähnt,
wie ein »Calendarium fratris Fulci ordinis minorum . . . cum figuris planetarum« oder die »Physio-
nomia Almansoris« u. a. m. Vielleicht ist der Modeneser Codex mit einem dieser beiden identisch.

Unter Leonello hat sich wohl auch die typische Decoration der Randleisten der ferraresi-
schen Manuscripte ausgebildet. Mit Unrecht führt Venturi2 die in der That auch in Ferrara vorkommen-
den Randleisten aus dicht verschlungenen weissen Aesten, deren Zwischenräume in Roth, Grün und
Blau mit drei im Dreieck angeordneten Punkten bemalt und die von Putten und Vögeln belebt sind,
als für Ferrara charakteristisch an. Die Heimat dieser Randleisten ist Florenz; von hier aus hat sich
diese Decoration über einen grossen Theil Italiens verbreitet und mag durch die im Dienste Leonellos
stehenden florentinischen Miniatoren auch nach Ferrara gebracht worden sein. Zahlreiche in dieser
Art ausgeführte Handschriften der Medicäer, des Matthias Corvinus, der Aragonesen und der Monte-

1 L. N. Cittadella, II castello di Ferrara, 1875, p. 63, App. I: Libreria di Borso d'Este.

2 Ad Venturi, L'Arte a Ferrara nel periodo di Borso, in Riv. stor. ital. II, p. 732, und La miniatura ferrarese nel se-
colo XV e il Decretum Gratiani, in Le Gallerie nazionali italiane IV (1899), 190.
 
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