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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0172
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

ternionen der Bibel zierenden Miniaturen Crivellis zum Pentateuch, die entschieden unter dem Ein-
fluss des Squarcione stehen. Erst nach und nach nähert sich ja Crivelli, wie wir gesehen haben, der
Stilrichtung des Pisanello, dessen Werke er in Ferrara bewundern konnte. Das Missale des Borso steht
an Kunstwerth allerdings weit hinter der Bibel zurück; immerhin mag es in Anbetracht der Seltenheit
an Werken des Crivelli Beachtung verdienen.

Das Missale des Herzogs Borso, ein Quartband (22 cm breit, 28 cm hoch) von 3i6 Blät-
tern, zeichnet sich schon durch seinen Einband aus, der nach Venturi an die Einbände des berühmten
Buchbinders Niccolö Nigresuolo oder Bernardo Carniero erinnert, von denen der erstere das Breviarium
des Leonello mit einem kostbaren carmoisinrothen Sammtband mit vergoldeten und emaillirten Silber-
beschlägen zierte. Den gepressten
hellvioletten Sammtband, der mit
Goldborten benäht ist, schmücken
reizende silbervergoldete Eckbe-
schläge und ein mit dem Borso-
wappen geziertes Mittelstück, wohl
der interessanteste ferraresische
Einband aus Borsos Zeit. In den
Miniaturen lassen sich zwei Minia-
toren unterscheiden, wie schon
Venturi festgestellt hat. Der eine,
der sich an Squarcione anschliesst,
ist nach meiner Vermuthung Tad-
deo Crivelli, der andere ein wohl
schon einer späteren Zeit ange-
hörender ferraresischer Miniator,
der unter lombardischen Einflüssen
steht. Von Crivelli rühren her: die
Titelblätter zu den zwei ersten
Theilen des Missales nebst dem Fig. 34. Crucifixus, Miniatur des Taddeo Crivelli im Missale des Herzogs Borso.
CrUClfix und die Initialen zum (Modena, Bibl. Est., Cod. lat. CGXXXIX, fol. 147).

ersten Theile (f. 1 — f. 204). Ich will

nur auf das Wesentlichste hinweisen. Das charakteristischeste Bild ist das Titelblatt (f. 7) zum ersten
Theil des Missales (Fig. 33), welches mit dem ersten Sonntag im Advent beginnt. Ein Vergleich mit
der künstlerisch weit höher stehenden Bibel lässt Crivelli als Autor vermuthen; die grösste Verwand-
schaft zeigen die Quinternionen e — g (f. 32 — f. 61), die wohl noch 1455 vollendet wurden. Die Rand-
leiste zieren goldene Spiralen mit stilisirten Blüthen, die von Vögeln (Eisvogel, Wiedehopf, Stieglitz
und Nachtigall) belebt werden, wie sich dieselben Vögel in derselben Vollendung auch in der Bibel des
Herzogs Borso von Crivellis Hand vorfinden. In zwei Medaillons oben ist die Verkündigung dargestellt,
während vier andere Medaillons herzogliche Embleme (abbeveraduro da columbi [links in der Mitte],
das Einhorn [liocorno] unter der Dattelpalme [dattararo] auf einer Klippe [rechts in der Mitte], den
Paraduro [links unten] und den »batesmo« [rechts unten]) enthalten. In der Mitte unten knieen zwei
Engel in blauen Gewändern (in derselben Nuance wie auf Crivellis Titelblatt zur Bibel) zur Seite des
in einer violetten Aedicula angebrachten herzoglichen Wappens.

Von besonderem Interesse ist die grosse Miniatur, welche mehr als zwei Drittheile der Innen-
fläche bedeckt: in einer Landschaft mit hochragenden schroffen Felsen steht vorne ein phantasti-
sches violettes Gebäude, an welches sich links eine offene Renaissancehalle angliedert, in der, von
zwei Teufeln gepeinigt, David im Gebete kniet; am Himmel erscheint ihm, von Cherubim umgeben,
Jehova. Einen besonderen Reiz leihen der phantastischen Composition des derb ausgeführten Bild-
chens die auf den Giebeln des Daches sitzenden Putten, ein entschieden paduanisches Motiv, das später

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