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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Beiträge zur Geschichte der Antwerpner Malerei im XVI. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0037
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Beiträge zur Geschichte der Antwerpner Malerei im XVI. Jahrhundert. 3 I

und verwirrend; aber gerade dies scheint mir, wie gesagt, vom Künstler beabsichtigt zu sein. Die Be-
handlung der vielen nackten Körper zeugt wohl in der Freiheit der Bewegungen von einem gewissen
Einflüsse italienischer Kunstweise; sieht man aber näher zu, so entdeckt man, dass unser Meister selbst
in dieser späteren Zeit frei ist von einer sclavischen Nachahmung der Italiener, dass er noch viele Merk-
male zu eigen hat, die auf die alten, guten Ueberlieferungen der niederländischen Schule zurückgehen.
Zu der akademischen Gespreiztheit und zu der verallgemeinernden Bildung der Acte, wie sie sich in
den gleichzeitigen und wenig späteren Schöpfungen eines Heemskerck oder Floris zeigen, hat sich
Dirick Vellert auch in diesem letzten Werke, das wir von ihm kennen, nicht verstiegen. Ein starker Rest
niederländischer Ursprünglichkeit ist ihm auch hier geblieben.

Fig. 15. Dirick Vellert, Knaben- und Mädchenschule.
Holzschnitt im Britischen Museum zu London.

Neben diesen Kupferstichen und Radirungen gibt es noch zwei Holzschnitte, die Dirick Vellerts
Monogramm tragen und offenbar nach seinen Zeichnungen hergestellt sind. Beide stammen aus dem-
selben Jahre 1526. Den einen, der das Wappen der Antwerpner Künstlergilde darstellt, haben wir am
Eingange unserer Erörterungen ausführlich besprochen. Der andere, der nur in einem einzigen Exem-
plare bekannt ist, das in der Kupferstichsammlung des Britischen Museums aufbewahrt wird,1 stellt eine
Schule für Knaben und Mädchen dar (Fig. 15). Wir blicken in einen Innenraum, der durch eine Art Gallerie
wagrecht in zwei ungefähr gleiche Hälften getheilt wird. Unten sehen wir in einem Alkoven um einen
Tisch Mädchen herumsitzen, die lernen, schreiben und Handarbeiten machen; weiter vorne sitzen
auf zwei langen Bänken einige wartende Frauen, zum Theil ebenfalls mit häuslicher Arbeit beschäftigt;
ein kleiner Knabe von etwa fünf Jahren scheint hier seine ersten Schreibversuche zu machen. Eine
Holztreppe führt zur Gallerie empor, auf der eine grosse Anzahl von lernenden und arbeitenden Knaben
verschiedenen Alters sichtbar ist. Links sieht man den Lehrer auf dem Katheder, mit seinem Attribut,

1 In Nagle« Monogrammisten ist er als Bestandtheil der Ottley'schen Sammlung erwähnt und ungenau beschrieben
(unter Nr. 23). Passavant hat ihn nicht gekannt.
 
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