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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0067
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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Einer solchen bestimmten Schule gehören die oben angeführten Handschriften an. Versuchen wir,
den Stil und die Technik ihrer Ausschmückung etwas näher zu charakterisiren.

Die Handschriften wurden als Luxusgegenstände hergestellt und Illustrationen spielen in ihnen
keine selbständige Rolle sondern sind ein Theil der Decoration. Sie sind deshalb nach der neuen fran-
zösischen Art fast durchwegs in Initialen untergebracht. Das Hauptgewicht ist auf die Ausgestaltung
der letzteren und auf die Ausschmückung der Schriftränder gelegt, die mit reichen Randleisten bemalt
werden. Die Initialen sind im Quadrat und auf Gold- oder Teppichgrund gemalt und übergehen in
Randleisten, die hauptsächlich aus schweren Acanthusranken bestehen. Die Rankenblätter entspringen
den Buchstaben oder gruppiren sich um einen Streifen entlang der Schriftcolumne wie um einen Sten-
gel. Der Streifen selbst wird durch Knoten und Verschlingungen unterbrochen. In den Ecken und an
den Enden der Streifen bilden die Ranken Blätter, Rosetten und Knospen, in welchen Drolerien ange-
bracht werden. In Verbindung mit den Akanthusranken werden manchmal stilisirte Blüthen verwendet.
Diese Motive werden verschiedenartig variirt.

Dazu kommen viele Drolerien. In den Knospen sitzen Propheten mit Spruchbändern, auf den
Stengeln klettern Engel, auf dem Rande spielen Kinder, David erscheint in Begleitung von Hofnarren
und Musikanten, und oben vom Buchstaben herunter schaut Gott Vater dem bunten Treiben wohl-
wollend zu. Die bizarren Drolerien der französischen Handschriften haben idyllischen Genrescenen
Platz gemacht.

Es ist dieselbe Decoration wie in den Wenzelhandschriften, doch überall weit individueller und
frischer erfunden. Ebenso glänzend wie in den letzteren ist die Technik. Die Farben sind hell und
leuchtend, gegenüber dem dunklen Blau, Roth und Braun der französischen Codices wiegt Hellblau,
Hellviolett, Hell grün und Hellroth vor. Die Maler verfügten über eine grosse Reihe von Farbennuancen
und wussten wie die Byzantiner und Sienesen die Farbenpracht durch Uebereinanderlegen von verschie-
denen Farben zu steigern. Das Gold ist wie in italienischen Handschriften fast im Relief auf einen rothen
oder grauen Assisgrund aufgetragen. Die Buchstabenkörper sind mit Figuren im rothen und blauen
Camaieu geschmückt.

Es kann kein Zweifel darüber sein, wo im Allgemeinen der Ursprung dieser Technik und Deco-
ration zu suchen ist.

Die Illuminirkunst hat sich im XIII. und XIV. Jahrhundert in Frankreich und in Italien in
ganz verschiedener Weise entwickelt. Es sei uns erlaubt, die wichtigsten Unterschiede kurz anzu-
deuten.1

In Frankreich behielt die Bücherausschmückung bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts auch in den
künstlerisch vollendetsten Werken jenen strengen stilisirenden Stil, welcher im XIII. Jahrhundert ent-
standen ist. Man stilisirte im XIV. Jahrhundert vielleicht noch mehr als im XIII., wobei es sich jedoch
bestimmt nicht um ein bewusstes Stilisiren handelt. Man kam in vielfacher Hinsicht über das
XIII. Jahrhundert hinaus, doch die Principien der malerischen Erfindung haben sich nicht verändert.
Die Miniaturen bleiben in erster Reihe Illustrationen. Man sucht zwar die dargestellte Erzählung
durch naturalistische Einzelheiten zu verlebendigen, ohne jedoch die Compositionen selbst natura-
listisch zu gestalten. Die Darstellung im Räume, die Modellirung und die natürliche Farbengebung
sind nicht die Hauptaufgabe der Maler sondern dienen nur zur Unterstützung der Mittheilung.

Etwas Aehnliches findet man in den Ornamenten. Im XIII. Jahrhundert dringt auch da die neue
Illustration ein; man gab, wie bereits gesagt wurde, den einzelnen Blättern und Blüthen naturalistische
Formen und belebte sie mit Drolerien. Es liegt derselbe Vorgang zu Grunde, der in den Miniaturen
zu neuen Compositionen führte, doch sind hier alte Schemen weit maassgebender. Es entsteht keine
neue naturalistische Ornamentik, nur einzelne Ornamente geben Naturformen wieder und, als man

1 Ich führe keine einzelnen Beispiele an, weil es unmöglich ist, das für einen anderen Zweck von mir durchgesehene
Material aufzuzählen, und eine Auswahl keinen Zweck hat. Man findet ja Belege genug in jeder Bibliothek und in einzelnen
Publicationen.

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