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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0069
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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Medium der romanischen Kunst von der antiken Rankenornamentik ab. So ergaben sich viele Berüh-
rungspunkte, die bald zu directen Nachahmungen führten.

Es wurden zuerst einzelne Blätter roh und mit vielen Missverständnissen zu der Form der alten
Akanthusranke umgestaltet. Dazu kamen, wie in Frankreich, illustrative Erfindungen, alte Genrescenen
und neue Grottesken: Pfaue, Hirsche, vasentragende Männer, Masken u. s. w. In dieser neuen Orna-
mentik offenbart sich der Charakter der italienischen Renaissance des XIV. Jahrhunderts vielleicht am
deutlichsten. Man denkt an gleichzeitige Schriftsteller, welche der antiken Literatur schöne Phrasen und
Bilder entlehnten, an Politiker, welche antike Titel und Ceremonien übernommen haben.

Bereits um die Wende des XIII. und XIV. Jahrhunderts differenzirte sich der neue italienische
Bücherschmuck in einzelnen Centren. In Bologna, welches der Mittelpunkt der italienischen Hand-
schriftenproduction und des italienischen Buchhandels war, schaffen die Illuminatoren in den letzten
Jahrzehnten des Ducento aus französischen, einheimisch mittelalterlichen und einzelnen antiken Ele-
menten einen eigenthümlichen Bücherschmuck. Doch dann stockt bezeichnenderweise die Entwicklung
in den Werkstätten Bolognas, welches in der Entstehungsgeschichte der neuen Malerei keine Rolle
spielte. Wie die gleichzeitigen Pariser Illuminatoren, beschränken sich die Bologneser Büchermaler in
der ersten Hälfte des Trecento darauf, den Stil des XIII. Jahrhunderts reicher und prunkvoller auszu-
gestalten.

Die Weiterentwicklung vollzog sich, wie auf allen Gebieten der Kunst, in der Toscana. Hier
wurden die monumentalen und malerischen Aufgaben der altchristlichen und byzantinischen Kunst am
intensivsten aufgenommen und ein neuer malerischer Stil im Abendlande begründet. Es waren bekannt-
lich vor Allem Künstler aus Siena und Florenz, welche wieder Bilder zu malen begonnen haben im
spätantiken und unserem Sinne des Wortes, Bilder, in denen die Modellirung und Raumdarstellung
nicht nur einen attributiven Werth besitzen sondern zu den wichtigsten und unumgänglichen Aufgaben
der Malerei gezählt werden. Deshalb finden wir auch in toscanischen Miniaturen den neuen Stil früher
als in Bologna oder anderswo. Als dann die grossen Meister des Trecento aufgetreten waren, ver-
drängte ihr Stil bald auch in den Miniaturen überall in Italien alle älteren Elemente und nur technische
und decorative Eigenthümlichkeiten charakterisiren von da an die Localschulen.

Ungemein lehrreich für die Beurtheilung der neuen Principien, aus denen sich der neue Stil ent-
wickelt hat, ist die Ausgestaltung der Ducentoornamentik in den toscanischen Werkstätten. Das
Rankenwerk nahm da vielfach einen völlig antiken Charakter an. Die Nachahmung blieb nicht mehr
auf einzelne Motive beschränkt sondern in einzelnen Fällen geht die ganze Randleiste auf ein antikes
Vorbild zurück. Es ist das der erste Schritt zum Verlassen der vielhundertjährigen
Schemen, die auf diese Weise wenigstens in einzelnen Fällen thatsächlich aufgegeben
wurden.

Fig. 13. TheU einer Randleiste aus dem Missale des Nicolaus Ricardi, Ms. l38 der Municipalbibliothek von Avignon, f. 228'.
 
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