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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0076
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7o

Max Dvofak.

puiser aux universites si renommees de Padoue, de Bologne et de Perous la science approfondu du
Decret et du Code —.« 1

Für das Papstthum bedeutet das avignonesische Exil auch in anderer Beziehung eine neue Epoche.
Wie in den höfischen Residenzen des Nordens, beginnt sich auch in der Stadt der Päpste ein privater
Luxus der kirchlichen Monarchen auszubilden. Die Päpste berufen Künstler aus Nah und Fern, doch
nicht, wenigstens in erster Reihe nicht, damit sie neue grosse Kirchen bauen sondern ein Schloss auf-
richten und schmücken. Es entstand die Burg der Päpste in Avignon, ein Palast, dem in Bezug auf
grandiose Anlage kein gleichzeitiger und kein späterer zu vergleichen ist. In der Burg liess Cle-
mens VI. einen Saal für das Consistorium bauen, wie er erst von einigen grossen Barock-Prunksälen
übertreffen werden dürfte. Die Privatkapellen, die Gemächer der Päpste, selbst die Gänge und Stiegen-
häuser werden mit Malereien, Sculpturen und farbigen Glasfenstern geschmückt, an denen ganze Gene-
rationen von Künstlern arbeiteten. In den einzelnen Räumen des Palastes sammelt sich ein Schatz
von Teppichen aus Burgund und Spanien, von Goldsachen aus Italien, von Kostbarkeiten aller Art.
In Sorgues, Chäteauneuf und Noves lassen sich die Päpste nicht minder prunkvolle Schlösser bauen,
Villeggiaturen, die womöglich noch reicher geschmückt waren als der Palast in Avignon.2 Ihre grossen
Grabdenkmäler leiten der monumentalen Absicht und der Anlage nach die Denkmälerplastik der
Renaissance ein.3 Wie die weltlichen Herrscher stifteten oder beschenkten die Päpste ihre Familien-
klöster und Kirchen, in denen sie und ihre Nepoten begraben werden sollten; so Clemens VI. die Chaise-
Dieu in der Auvergne und Innocenz VI. die Chartreuse in einem stillen Winkel bei Villeneuve.4

Dem Beispiele der Päpste folgen die Cardinäle. Die Fieschi, Stefaneschi, Orsini, Colonna be-
sitzen grosse Paläste in Avignon und der Umgebung und führen einen glänzenden Haushalt. Sie sind
umgeben von einem Hofe von Prälaten, Clerikern, Literaten, Schreibern, Dienerschaft. Nach den
Päpsten sind sie in erster Reihe die Förderer der Kunst und Wissenschaft. Es genügt, die Namen Tal-
leyrand de Perigord, Giovanni Colonna, Guillaume de Chanac zu nennen. Dem Cardinal Gaucelme
de Jean widmet Gui Terrain seinen Commentar über das Decretum, Jacopo di Gaetano Orsini lässt
von Francesco Toti eine Schrift De potestate ecclesiae schreiben, Alvare Pelage widmet sein Buch De
planctu ecclesiae dem Cardinal Gomez.5 Mit begeisterten Worten schildert ein Italiener die Wohn-
räume und den Haushalt der Cardinäle Elia di Perigord und Annibaldo di Ceccano, Zeitgenossen des
Papstes Clemens VI. in Sorgues.6 Die alte Residenz der französischen Könige, von der uns ebenfalls
eine Beschreibung erhalten ist, erscheint dagegen arm und dürftig.7 Auch die Paläste, welche welt-
liche Grosse in Avignon besassen, wie z. B. der König von Neapel, der König von Majorca, waren
sicher nicht minder prunkvoll. Noch heute sprechen imposante Ruinen in Avignon, Villeneuve und
Sorgues und Trümmer von Grabdenkmälern eine beredtere Sprache als alle Schilderungen. Als Pe-
trarca alt geworden ist und voll asketischer Gedanken, schildert er Avignon als ein Babel.8

Man hat wiederholt Clemens VI. mit Leo X. verglichen.9 In der Person trifft der Vergleich nicht
zu, wohl jedoch, was den Geschmack und die Intentionen des Papstes und seiner Umgebung anbelangt.
Es sind die Intentionen der Renaissancegesellschaft.

1 In angeführtem Buche, p. 21.

2 Vgl. die von Faucon publicirten Documente, Les arts ä la cour d'Avignon: Melanges d'archeologie et d'histoire 1882,
p. 36 ff., und 1884, p. 57 ff., und Müntz, Le palais pontifical de Sorgues, in Memoires de la Societe nationale des anti-
quaires 1885.

3 Vgl. über sie Müntz, La statue du pape Urbain V.: Gazette arch. 1884, und Les tombeaux des papes en France, in
der Gazette des Beaux-Arts 1887, p. 367 ff.

4 Ueber Chaise-Dieu vgl. Faucon im Bulletin archeologique 1884; über die Chartreuse: Coulondres, La Chartreuse de
Villeneuve les Avignon, Alais 1877, und Müntz in der Gazette archeologique 1886, 1887, 1888.

5 Faucon, La librairie des papes ä Avignon, p. 21.

6 Publicirt von E. Casanova, Visita di un papa avignonese a suoi cardinali: Archivio della Societä Romana di Storia
Patria 1899, p. 371 ff.

7 Publicirt von Godefroy, Paris 1614.

8 Ecloge 6 und 7.

9 Vgl. die diesbezügliche Schilderung Renans in der Histoire litteraire de la France au XIV6 siecle II, 150 ff.
 
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