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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0082
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76

Max Dvofäk.

Ob und wie in Avignon selbst im XIII. Jahrhundert Handschriften illuminirt wurden, lässt sich
kaum feststellen und ist auch nach dem oben Gesagten bedeutungslos. Das ändert sich natürlich, als
die Stadt päpstliche Residenz geworden ist.

Die Verlegung der Kirchenverwaltung in die Provence brachte eine Invasion von Schreibern mit
sich. In Paris und in Neapel und, wie wir hören werden, auch in Prag finden wir Kanzleibeamte,
welche nicht nur Bücher schreiben sondern auch illuminiren. Dasselbe dürfen wir bei Beamten der
päpstlichen Kanzlei vermuthen, in der Leute aus der ganzen Welt beschäftigt wurden. Die päpstlichen
Register werden bereits unter Innocenz III. mit Initialen und Zierleisten geschmückt.1 Es lassen sich
ferner im XIV. Jahrhundert überall Geistliche und Ordensmitglieder als Illuminatoren nachweisen,

wobei von einer Klosterkunst nicht gesprochen werden kann;
denn sie stehen bereits zu der Kunst ihres Zeitalters in einem
ähnlichen Verhältnisse wie in der Renaissance. Das literarische
Leben hatte an und für sich zur Folge, dass in Avignon viele
Bücher geschrieben und geschmückt wurden. Dazu kommt
die Sammellust der Päpste und der Cardinäle, die Modesache geworden ist. Es
entstand in Avignon neben der grossen päpstlichen Bibliothek eine ganze Anzahl
von Privatbibliotheken.2 Ueber die Entstehung der ersteren besitzen wir genauere
Nachrichten. Unter Johann XXII. werden Codices zum grössten Theil in der
Fremde gekauft, in Paris und Bologna oder anderswo, später nicht mehr, beson-
ders seltene Bücher ausgenommen. Denn in Avignon selbst entstand ein Bücher-
markt3 und die Päpste konnten Handschriften für ihre Bibliothek und für die von
ihnen errichteten Collegien in Montpellier, Toulouse und Bologna in ihrer Resi-
denz abschreiben lassen. Das geschah systematisch unter Leitung von Präfecten,
welche in der Regel dem hohen Clerus angehörten.4 Es ist selbstverständlich, dass Bücher in Avi-
gnon nicht nur geschrieben sondern auch illuminirt wurden, beides ibt ja im XIV. Jahrhundert eng
verbunden.

Doch der Luxus der Päpste und Cardinäle auf allen Gebieten lässt vermuthen, dass sich ihre Be-
stellungen von illuminirten Handschriften nicht nur auf Handelswaare und einfache Gebrauchsbücher
beschränkten. Das Hofleben, welches die Kirchenfürsten in Avignon angenommen haben, forderte den
Besitz von Prunkhandschriften. Wie die Könige und der Adel Romane und Gebetbücher, lassen die
Päpste und Bischöfe Pontificalbücher und theologische Lieblingswerke kostbar illuminiren und mit
ihrem Wappen schmücken und erst nach ihrem Tode werden sie an Kirchen verschenkt.

Ueber Illuminatoren, welche für die Päpste Bücher malten, ist uns dank den Forschungen Ehrles
Einiges bekannt.5 Es waren Laien und Cleriker; theils standen sie in päpstlichen Diensten, theils hatten
sie eigene Werkstätten. Wie die Kanzleibeamten und Literaten, bekamen sie kirchliche Pfründen: so
war z. B. Philipp de Revest in Diensten Johanns XXII., wurde Canonicus von St. Agricol und besass
unter Benedict eine eigene Werkstatt.6 Diese Verhältnisse sind deshalb wichtig, weil wir sie auch
anderswo finden werden. Einzelne der Illuminatoren werden als curiam sequentes bezeichnet; wie die
Maler, sind sie zumeist aus der Fremde gekommen. Diejenigen, die wir aus der Zeit Johanns und Bene-
dicts kennen, waren Franzosen; aus der Zeit des Clemens sind uns Namen überliefert, welche einen
italienischen Klang haben.7 Also ein ähnliches Verhältnis wie in der monumentalen Malerei.

1 Denifle, Specimina I ff.

2 Die constatirbaren Bibliotheken Avignons im XIV. Jahrhundert sind zusammengestellt worden von Labande in der
Einleitung zu dem Handschriftenkataloge der Municipalbibliothek in Avignon.

3 Ueber die Librarii in Avignon vgl. Ehrle, p. 178. Es waren zumeist Italiener.

4 Ehrle, Historia bibliothecae Romanorum pontificum, p. 175 ff. Daselbst sind auch die nachweisbaren Präfecten zu-
sammengestellt.

5 Die diesbezüglichen Urkunden bei Ehrle, p. l36 ff.

6 Ehrle, p. 144 fr.

7 Vgl. Ehrle, p. 162 ff., und Requin, Documents inedits, p. 13 ff.
 
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