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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0088
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82

Max Dvofäk.

unten am Rande die Inschrift: »Liber viaticus Johannis Luthomuslensis episcopi, imperialis cancellarii.«
Bischof von Leitomischl und Kanzler war Johann von Neumarkt in den genannten Jahren.

In den Randleisten des Missales in der Bibliothek des Prager Domcapitels ist einige Male das
Wappen des Bisthums Olmütz eingemalt. Man schloss daraus ganz grundlos, dass der Codex für den
Bischof Johann Ocko von Vlaslm (1351—1364) hergestellt wurde. Nachfolger Ockos war Johann von
Neumarkt. Dafür, dass wiederum er der Besteller der Handschrift gewesen ist, spricht Folgendes:1
Am Anfange und am Schlüsse sind dem Missale von derselben Hand, welche den Text des letzteren
geschrieben hat, eine Reihe von Marienliedern, ferner zwei Lieder zum Lobe des heil. Hierony-
mus angefügt. Ein verfeinerter Madonnencultus verbreitet sich zugleich mit einem neuen Interesse für
die Kirchenväter aus Italien nach dem Norden, zunächst in jene Kreise, welche mit den italienischen
Humanisten in Verbindung standen. Johann von Neumarkt dichtete selbst Marienlieder.2 Hieronymus
war neben Augustin der Lieblingsschriftsteller des Petrarcakreises und Johann von Neumarkt hatte für
Hieronymus eine besondere Verehrung. Er Hess seine Werke abschreiben und übertrug das Leben des
heil. Hieronymus ins Deutsche.3 Das eine der Gedichte zum Lobe des Hieronymus ist ausserdem in
einer Handschrift der Summa cancellariae des Johann von Neumarkt erhalten und wurde, wie in dem
Liber viaticus bemerkt wird, ad ordinationem des Giovanni d'Andrea, des grossen Canonisten und
Freundes Petrarcas, edirt.4 Das zweite ist von Petrarca selbst. So erlaubt der Inhalt der Handschrift
kaum einen Zweifel darüber, dass der Codex für jenen Bischof von Olmütz gemalt wurde, der durch
so zahlreiche Bande persönlich und literarisch mit den italienischen und avignonesischen Humanisten
verknüpft war, für Johann von Neumarkt.

Das Wiener Evangeliar aus dem Besitze Friedrichs III. ist auf fol. 2', 55' 91' und 148' mit den
Wappen von Oesterreich, Tirol, Steiermark und Kärnten geschmückt und enthält auf dem vorletzten
Blatte eine Einzeichnung in grossen goldenen und blauen Lettern, in welcher der Name des Schreibers
und Malers und die Jahreszahl der Beendigung der Arbeit mitgetheilt wird: »Et ego Johannes de
Oppavia, presbiter canonicus Brunnensis, plebanus in Lantskrona, hunc librum cum auro purissimo de
penna scripsi, illuminavi atque deo cooperante complevi in anno domini i368.«5

Die Wappen bezeugen, dass der Prachtcodex für einen Herzog von Oesterreich, entweder für
Albrecht III. oder Leopold III., angefertigt wurde.6 Ueber den Maler der Handschrift Johann von
Troppau wissen wir sonst nichts. Ein Johannes canonicus Brunnensis wird noch in den Jahren 1373
und 1374 genannt; natürlich wissen wir nicht, ob es Johann von Troppau ist.

Johann von Troppau war Pfarrer in Landskron. Nun wurde jedoch Landskron im Jahre 1358
von Johann von Neumarkt erworben,7 dem Kanzler gehörte für die nächsten Jahre das Präsentations-
recht für die dortige Pfarre und, wenn sich ein Brünner Canonicus im Jahre i368 im Besitze dieser
Präbende befindet, ist anzunehmen, dass er in irgendwelchen Beziehungen zu Johann von Neumarkt
gestanden haben muss.

Wäre es nicht merkwürdig, wenn Herzog Albrecht oder Leopold ein kostbares Evangelienbuch
bei einem Brünner Canonicus bestellt hätten? Es ist uns jedoch die Nachricht erhalten, dass Johann
von Neumarkt für die Herzoge in Brünn Handschriften schreiben und illuminiren Hess. Er stand privat

1 Worauf schon von Ghytil, a. a. O., verwiesen wurde.

2 Vgl. Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation, S. 108 ff.

3 Veröffentlicht von Benedict, Das Leben des heil. Hieronymus: Bibliothek der mittelhochdeutschen Literatur III.

4 Nach der Olmützer Handschrift der Summa Cancellariae wurde das Gedicht von Tadra als ein Werk des Johann
von Neumarkt abgedruckt (Summa cancellariae, XXIII ff.). Die Ueberschrift des Gedichtes im Liber viaticus lautet: Infra-
scripti versus editi sunt in laudem beati Jeronimi ad ordinationem domini Johannis Andreae doctoris iuris canonici.

5 Die Seite mit dieser Inschrift in farbigem Steindruck-Facsimile bei Sylvestre, Universal Palaeography, 263.

6 Denis und Waagen sprechen nur von Albrecht III. Bekanntlich erhielten nach dem Tode Rudolfs IV. seine Brüder
Albrecht III. und Leopold III. im Jahre 1366 eine Gesammtbelehnung mit den österreichischen Landen und noch nach der
Theilung von 1379 sollten sich die Brüder nach allen Landen und Herrschaften schreiben und alle Wappen und Titel des
Hauses führen.

1 Die diesbezügliche Urkunde druckt Balbin in den Miscellanea ab.
 
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