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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0093
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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den Humanistenkreisen herrschte und welche wohl der Freude über die neugefundene formale Beherr-
schung der Materien entsprungen ist. Man legte Werth darauf, philologisch correcte und schön ge-
schriebene Abschriften zu besitzen. Petrarca allein beschäftigte stets fünf oder sechs Schreiber.1 Mit
dem Bücbersammeln geht wie überall damals die Vorliebe für illuminirte Handschriften Hand in Hand,
und zwar in der allgemeinen Form der Anschaffung von geschmückten und illustrirten Handschriften
und verfeinert und vorgeschritten in einer persönlichen Antheilnahme der Literaten an der Illustration.
So besitzen wir z. B. aus der Bibliothek Petrarcas nicht nur Werkstattswerke. Die Miniatur in dem
Mailänder Virgilcommentar wurde von Simone Martini für Petrarca gemalt,2 geht auf Angaben des
Dichters zurück und führt uns ganz in seinen Gedankenkreis. Man bedenke, welche Entwicklung da
gegenüber den epischen, mit dem Texte und den Autoren nur durch den gleichen Darstellungsstoff
zusammenhängenden Cyklen des XIII. Jahrhunderts vorliegt. Ja Petrarca selbst versucht das geliebte
Veaucluse zu zeichnen und man kann es immerhin in seiner Zeichnung erkennen.3 Auf Colluccio
Salutati, den Staatskanzler von Florenz, welchen Johann von Neumarkt während seiner zweiten italieni-
schen Reise kennen lernte, geh.t die prunkvollste Trecentohandschrift der Laurenziana, das Missale aus
Sta. Maria del Fiore, zurück und humanistisch gebildete Bischöfe, wie Pietro Colonna oder Philipp
von Cavaillon, mochten die höfische Vorliebe für Bilderbücher bereits mit Renaissancegeschmack ver-
bunden haben.

Johann von Neumarkt ist auch in dieser Beziehung ein Schüler und Nachahmer der Humanisten-
kreise. Er beschäftigte, wie wir aus zahlreichen urkundlichen Nachrichten wissen, Schreiber und Illu-
minatoren in Brünn, Olmütz, Kremsier und anderswo.4 Die kostbarsten Codices wurden für ihn
gemalt und an Petrarca schickte er, falls die darauf bezügliche Stelle in einem seiner Briefe richtig
erklärt wurde, eine mit Ornamenten, vielleicht auch Miniaturen geschmückte Urkunde.5 Als Bischof
von Olmütz wollte er wohl so leben wie ein Pietro Colonna, wie ein Philipp von Cavaillon.

So lassen sich die Anregungen, welche zu einem neuen Kunstbedürfnisse und zur Uebertragung
einer neuen Kunst nach Böhmen führten, in diesem Falle ziemlich genau feststellen.

Es fragt sich nun, wie weit die Handschriften selbst dieser Auffassung der Entstehungsgeschichte
der Schule entsprechen. Wir finden da eine merkwürdige Bestätigung.

Das Reisebrevier des Kanzlers, wahrscheinlich die älteste der Handschriften, ist in den Jahren
1354-—1364 entstanden, also beiläufig nach der ersten italienischen Reise des Johann von Neumarkt.
Es ist die weitaus bedeutendste und individuellste Arbeit der Gruppe. An der Ausschmückung der
Handschrift haben zwei Hände gearbeitet. Der grösste Theil der Miniaturen und Ornamente wurde
von einem Illuminator gemalt, dessen Können den späteren Meistern sehr überlegen war. Diese Ueber-
legenheit beruht nicht ausschliesslich auf persönlicher Begabung. In keiner der übrigen Handschriften
tritt uns der italienische Stil der Miniaturen und Ornamente so rein entgegen wie in dem Liber viati-
cus. Weder von dem ängstlichen Festhalten an bestimmten, überlieferten Typen aus italienischen Vor-
lagen noch von einer Verrohung oder Anpassung der letzteren an den einheimischen Geschmack, wie
es in den übrigen Handschriften mehr oder weniger der Fall ist, kann da eine Spur gefunden werden.
Der Künstler schafft frei und mit voller Beherrschung der technischen und künstlerischen Mittel der

1 Epistolae de rebus familiaribus: Fracassetti III, 322.

2 Die Miniatur wurde veröffentlicht von E. Müntz in der Gazette archeologique 1887. Die beigefügten Verse, welche
die Autorschaft Simones bezeugen und ein Autograph Petrarcas sind, sind wohl von unanfechtbarer Beweiskraft. Das Bild
ist auch ganz Simonesk und hat mit anderweitigen italienischen Miniaturen sehr wenig Gemeinsames. Man sieht gleich,
dass es nicht das Werk eines Berufsilluminators ist.

3 Die Zeichnung wurde publicirt von Nolhac in der Gazette des Beaux-Arts 1893. lieber illuminirte Handschriften,
welche im Besitze Petrarcas waren, berichtet Nolhac in der Gazette archeologique 1889. Daselbst auch Facsimiles.

4 Die Nachrichten sind uns hauptsächlich in einem Formelbuche, welches die Correspondenz des Kanzlers enthält, in
der sogenannten Gancellaria Johanni Noviforensis, welche von Tadra im Archiv für österr. Geschichte 1868 publicirt wurde,
erhalten (vgl. Nr. 3y, 114, 119, i3o, 161, 190 u.a.). Auf Grund dieser und anderer Nachrichten schildern die Thätigkeit
des Kanzlers als Leiters von Schreibern und Illuminatoren Tadra in der erwähnten Biographie und Burdach, S. 78 ff.

5 Burdach, S. 113.
 
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