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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0097
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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weisen sondern auch die Behandlung des Details stimmt genau überein. Es scheint mir unzweifelhaft
zu sein, dass beide Handschriften das Werk eines Illuminators sind.

Falls unsere Annahme richtig ist, dass die Inschrift auf der Anfangsminiatur auf den Maler zu
beziehen sei, wäre das Missale eine Arbeit des Nicolaus von Kremsier. Und gerade von diesem Kanzlei-
beamten wissen wir, dass er öfters nach Avignon reiste und sich dort zweimal längere Zeit aufgehalten
hat. Zum ersten Male, soweit wir wissen, kam er nach Avignon im Winter 1352 und blieb dort wenigstens
zwei Jahre. Im October 1353 entrichtete er noch mit Dietrich von Minden bei der Curie Annaten für
Johann von Neumarkt, welcher damals zum Bischof von Leitomischl ernannt wurde.1 Dann rinden
wir ihn in den Jahren 1357 und i36i in der Papststadt, wohin er als kaiserlicher Bote kam. Das zweite
Mal blieb er wiederum wenigstens anderthalb Jahre.2 Er war also in Avignon beiläufig in den Jahren
oder kurz vorher, als der Liber viaticus entstanden ist. Wie überall, mochten sich auch in Böhmen
Kanzleibeamte mit dem Illuminiren von Handschriften beschäftigt haben und es wäre sicher nicht un-
möglich, dass Nicolaus von Kremsier während seines Aufenthaltes in der Werkstätte eines berühmten
Illuminators gearbeitet hätte. Die Werkstätten wurden, wie wir hörten, sowohl von Laien als auch
von Geistlichen geleitet und, wenn, um ein zufällig bekanntes Beispiel zu nennen, die Canonici von St.
Agricol Codices illuminirten, kann ein junger Cleriker aus Böhmen sehr leicht bei ihnen Unterricht
genossen haben.

Nicolaus von Kremsier war Canonicus und Propst bei St. Peter in Brünn und ebenfalls ein
Brünner Canonicus war der Illuminator des Wiener Evangeliums. Ein Vergleich des Kreuzigungs-
bildes aus dem Missale mit der Vollblattminiatur aus dem Evangelium macht die grosse Abhängigkeit
des Malers des ersteren von dem Maler des letzteren in Technik und Stil unverkennbar. Man beachte,
wie z. B. die Schatten um die Augen und bei der Nase in ganz gleicher Weise gezeichnet sind
(vgl. Fig. 20 und 21 mit Taf. XIV und XV). Dennoch ist der Gesammtcharakter des Werkes des
Johann von Troppau ein ganz anderer.

Es ist vor Allem deutlich, dass der Maler des Evangeliums die fremde Kunst bereits aus zweiter
Hand empfangen hat. In der grossen Miniatur auf S. 191, für welche er wahrscheinlich eine bestimmte
Vorlage benützte, tritt das weniger zu Tage. Das Bild ist noch immer sehr stark italianisirend; doch
hätte sich der ältere Meister das rohe Gitterwerk des Hintergrundes kaum zu Schulden kommen lassen.
Die Handschrift enthält ausser der Vollblattminiatur eine grosse Anzahl von kleinen Bildern, welche
die Initialen der einzelnen Capitel schmücken und, zu je zwölf in einem Rahmen vor einem jeden
Evangelium zusammengestellt, das Leben des Evangelisten genau nach der Legenda aurea schildern.
Für eine so grosse Zahl von Illustrationen reichte natürlich das übernommene Capital von fremden
italienischen Compositionsschemen nicht aus und wir können beobachten, dass der Künstler überall
dort, wo er vor völlig neue Aufgaben gestellt wird, sich mit einer verhältnismässig primitiven Lösung
begnügt, mit einer Lösung, welche von dem Darstellungsvermögen des Meisters des Reisebreviers weit
entfernt ist, dagegen mit den sonstigen compositionell selbständigen Leistungen der böhmischen Schule
übereinstimmt und bereits als Beispiel des neuen Stiles gelten kann, welcher durch eine Verprovinziali-'
sirung der fremden Kunst und unter Einwirkung der älteren einheimischen Tradition und des im All-
gemeinen tiefer liegenden Entwicklungsstadiums der Kunst in Böhmen entstanden ist (Taf. XV).
Trotzdem liegt in dieser Verrohung eines entlehnten Stiles, wie so oft, der eigentliche Fortschritt. Die
Künstler der neuen Schule lernen auf eigenen Füssen zu gehen.

Johann von Troppau wollte etwas Aussergewöhnliches leisten. »Hunc librum cum auro puris-
simo de penna scripsi, illuminavi« steht in der Subscriptio. Es wird da ein Vorzug betont, auf den
damals in Italien und Frankreich wohl kaum Jemand einen Werth gelegt hätte. Und Aehnliches finden
wir in der gesammten Ausschmückung der Handschrift, welche aus einer merkwürdigen Combinirung

1 D;e Urkunden bei Noväcek, Dfitfich z Portic (Dietrich von Minden): Zeitschrift des böhm. Museums 1890, S. 389.

2 Noväcek, a. a. O., und Huber, Regesta imperii VIII, p. LH und Regesten Innocenz VI., S. 336. In der Handschrift
XIII D 7 der Prager Universitätsbibliothek, welche die Historia Hierosolymitana Thadei Messanensis enthält, findet sich eine
Einzeichnung darüber, dass der Codex am 24. October i362 von Nicolaus von Kremsier in Avignon gekauft wurde.

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