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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0107
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Die Illuminatorca des Johann von Neumarkt.

IOI

gelesen wurde als die Evangelien«, — und dieselben Cyklen finden wir als Illustrationen zu ver-
schiedenen Texten. Man kann im XIII. und XIV. Jahrhundert überall im Norden feststellen, dass sich
für grosse Cyklen von Wandgemälden fast stets Beziehungen zu Bücherillustrationen nachweisen lassen:
in profanen Darstellungen zu Illustrationen der Romane und Gedichte, in Gemälden der kirchlichen
Räume zu Bilderreihen der theologischen und populären Erbauungsliteratur. Es ist das auch fast ganz
selbstverständlich.

Wir hörten, wie oft bereits in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts italienische Miniaturen in
Böhmen nachgemalt wurden. Solche unmittelbare Entlehnungen kann man auch später immer wieder
feststellen. Für eine grössere Reihe von
Darstellungen aus der Apokalypse gab es
sicher nicht eine ältere einheimische Ueber-
lieferung und der typologische Cyklus in
Emaus stimmt, wie Neuwirth dargethan
hat, auch in der Wahl der Stoffe mit den in
Böhmen und in den Nachbarländern geläu-
figen und populären Reihen nicht überein.

In Italien dürfte eine ähnliche An-
lehnung an Miniaturen im Trecento fast
unmöglich sein. Unter dem Einflüsse der
vielen erhaltenen Werke der altchristlichen
und byzantinischen monumentalen Malerei
entwickelte sich der neue Stil in Wand-
und Tafelgemälden und knüpft, wenn auch
mit geringen Mitteln, da an, wo sie am
Ausgange der Antike stehen geblieben war.
Die Probleme, welche sich die Maler stellen,
betreffen von Anfang an die monumentale
Darstellung und Decoration.

Deshalb sind eben die Bildercyklen auf
dem Karlstein und in Emaus der beste Beweis
dafür, dass, soweit das erhaltene Material
schliessen lasst, kein Italiener, wenigstens
kein Italiener von irgendwelcher Bedeutung
in Böhmen gemalt hat. Die Maler, die auf
dem Karlstein und in Emaus vergrösserte
Miniaturen auf die Wände malten, wussten
nichts von den grossen und monumentalen
Aufgaben, welche in der gleichzeitigen
italienischen Wandmalerei gelöst wurden.

Dennoch kann man sowohl bei den genannten Cyklen, abgesehen von den Compositionen, als
auch bei anderen gleichzeitigen böhmischen Wand- und Tafelgemälden, für die keine bestimmten,
italienischen Vorlagen benützt wurden, eine Reihe von Eigentümlichkeiten beobachten, die auf gleich-
zeitige italienische Malerei zurückgehen. Wir finden plötzlich in böhmischen Bildern aus der zweiten
Hälfte des XIV. Jahrhunderts nicht nur eine Reihe von italienischen Compositionen sondern auch in
ganz allgemeiner Anwendung giotteske und sienesische Typen, Hintergrundarchitekturen, Landschaften,
Faltenlegung u. s. w. Ebenso bemerkt man in den Farben italienischen Einfluss. Das wäre vielleicht
nicht von solcher Bedeutung, wenn sich nicht gleichzeitig mit diesem Aufnehmen italienischer Ele-
mente ein tiefgehender Stilwechsel vollzogen hätte. Vergleicht man irgendwelche Scene aus der
Georgslegende in Neuhaus mit einer Scene aus der Wenzelslegende auf dem Karlstein oder mit einem

14*

Fiff. 26.

Der Mitteltheil eines böhmischen Altarschreines in der
Propsteikirche in Raudnitz.
 
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