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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0124
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n8

Max Dvofäk.

bilder für die künstlerischen Unternehmungen der Herzoge zu suchen sind und wo auch wahrschein-
lich die an ihnen betheiligten Künstler geschult wurden. Der erste Bildhauer, welcher in Diensten des
Herzogs von Berry genannt wird, war Jacques Collet aus Chartres. Wir wissen von ihm, dass er früher
in Paris war und dass ihm in den Jahren 1365—1370 Bildhauerarbeiten für den Louvre übertragen
wurden. Einer der berühmtesten unter den Künstlern des Herzogs, Beauneveu, kam um das Jahr 1364
nach Paris, wo er die Grabdenkmäler des Philippe Valois, Johanns IL, Karls V. und seiner Gemahlin

ausführte. Als dann Beauneveu in die Dienste des Herzogs
von Berry getreten war und die vielbewunderten Bauten und
Decorationen in Mehun ausführte, sendet Philipp der Kühne
seine Hofkünstler Jean de Beaumez und Claus Sluter zur
Besichtigung der Kunstwerke. Jean de Beaumez, der Lehrer
Malouels, hatte im Jahre 1371 in Paris eine Werkstatt. Der
zuerst genannte Maler des Herzogs von Berry, Jean d'Orleans,
wahrscheinlich ein Sohn des Hofmalers des Königs Johann
des Guten, Gerard d'Orleans, war im Jahre 1365 an der Aus-
malung des Louvre, im Jahre 1371 für die Herzoge von
Burgund beschäftigt.1 Der Glasmaler des Herzogs, Berthaud
Tarin, kommt ebenfalls vom Louvrebau u. s. w.

Die Centralisirung der Kunstbestrebungen in prunk-
vollen Residenzen ist um die Mitte des XIV. Jahrhunderts
das wichtigste Moment in der Gestaltung des Kunstlebens.
Paris war bereits durch Generationen Heimat einer zielbe-
wussten Heranziehung der Kunst für die Bedürfnisse des
privaten Lebens der Könige. Doch unter Karl V. kommt
auch noch jenes neue antik-orientalische Kunstmäcenaten-
thum dazu, welches wir gleichzeitig am Hofe der Anjou und
der Päpste finden, welches Aufträge ausführen lässt, die über
die höchsten Anforderungen des feudalen Hoflebens weit
hinausgehen und die besten Kräfte für sich in Anspruch
nehmen. Künstler aus Nah und Fern kommen nach Paris
und das Pariser Kunstleben, vor Allem die grossen Bauten
Fig. 34. Christus, segnend. Glasgemälde in der des Louvre, des Schlosses zu Vincenne, des Hotel de Saint
Kathedrale von Poitiers. Paul waren die Schule, aus der die Hofkünstler des Herzogs

(Gazette des beaux-arts i885, i, 149). von Berry und Philipps des Kühnen hervorgegangen sind.

Diese Beziehungen zu der Pariser Kunst unter Karl V.
sind auch bereits an den Kunstwerken selbst, wenigstens in der Sculptur, beobachtet worden. Es ist
Louis Courajod aufgefallen, dass derselbe kühne Naturalismus, den wir an den Sculpturen in Bourges
und Dijon bewundern, bereits an Statuen zu finden ist, welche in Paris bald nach dem Regierungs-
antritte Karls V. entstanden sind.2 Die Künstler der Porträtfiguren des Herzogs von Berry und seiner
Gemahlin in Bourges oder des Mosesbrunnens in Dijon sind im Naturalismus nicht erheblich weiter
gekommen als der Meister, welcher das Denkmal Philipps VI. (heute im Louvre) in den ersten Jahren
der Regierung Karls V. meisselte, und jedenfalls ist ihre Kunst gleicher Provenienz. So glaubt Courajod
annehmen zu müssen, dass sich der Einbruch der flandrischen Kunst nicht erst an den Höfen von Bur-
gund und von Berry sondern bereits in Paris bald nach der Mitte des XIV. Jahrhunderts vollzogen hat.
Er geht dabei von der These aus, das Wesen der eigentlich französischen Sculptur sei ein tiefer Idealis-
mus und die französische Sculptur sei deshalb bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts idealisirend gewesen.

1 Vgl. über ihn auch L. Jassy, Jean Gaucher dit Jean d'Orleans, Orleans 1886.

2 Une Statue de Philippe VI au Musee du Louvre: Gazette des beaux-arts 1885, p. 217 fr.
 
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