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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0132
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Max Dvofäk. Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

kennen, sein Werk gewesen ist. Die charakteristischen Merkmale des Stammbaumes kehren in den
Porträtbildern der Marienkirche wieder, so dass wir die letzteren ebenfalls als ein Werk des Nikolaus
betrachten können. Sie sind mit den viel roheren Arbeiten des Theodorich nicht zu vergleichen, die,
obwohl sie sich den neuen Richtungen anschliessen, doch in vielfacher Hinsicht einen local zurück-
gebliebenen Stil aufweisen. Sie machen noch immer den Eindruck, als ob der Künstler versucht hätte,
Metallarbeiten oder Schnitzereien durch Malerei zu ersetzen. Die Porträtbilder stimmen dagegen in
der naturalistischen Behandlung der Figuren ganz mit der gleichzeitigen Pariser Malerei überein und,
wenn wir die einzelnen Köpfe mit dem Porträt Johanns des Guten oder die ganzen Gestalten mit Ge-
stalten aus der Miniatur des Jean de Bandol und der Angerser Apokalypse vergleichen, erscheint un-
zweifelhaft die nordfranzösische Malerei unter Karl V. als die Quelle der Kunst des Nikolaus. Die
Sache ist auch gar nicht schwer zu erklären, wenn wir bedenken, dass sowohl die Kunst am oberen
Rhein im XIII. und in der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts sich unter nordfranzösischem Einflüsse
befand als auch dass deutsche Künstler oft in Frankreich beschäftigt gewesen sind. Aus der Kunst der
französischen Höfe stammen auch die Aufgaben, welche Nikolaus in Böhmen auszuführen hatte.1
Jedenfalls finden wir in seinen Werken dieselben naturalistischen Bestrebungen wie in den Pariser
Arbeiten aus der Mitte des Jahrhunderts.

Es dürfte wiederum sehr schwer sein, die Beziehungen der einzelnen Kunstgebiete zu der französi-
schen Kunst und untereinander genauer festzustellen. Doch es sollte hier auch nur das angedeutet werden,
was für unsere Frage von Bedeutung ist. Die Erklärung des allgemeinen italienischen Ein-
flusses auf die Malerei nördlich der Alpen in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts
ist in erster Reihe darin zu suchen, dass die mitteleuropäische Malerei in dieser Zeit
überall früher oder später der Tendenz und zum Theil auch dem Resultate nach zu
einem Punkte gelangte, von dem aus die Uebernahme bestimmter neuer malerischer
Probleme aus der italienischen Malerei möglich gewesen ist. Es wird uns verständlich, wes-
halb trotz der allgemeinen unverkennbaren Beeinflussung durch Werke der italienischen Malerei nir-
gends der Stil der Toscaner oder nur ganz ausnahmsweise treu nachgeahmt wurde. Man lernte von
den Italienern nur das, was sie selbst aus der antiken Kunst übernommen hatten. Die antike Kunst
kam auf Grund einer langen Entwicklung dazu, das Bild als die Darstellung eines bestimmten Raum-
ausschnittes aufzufassen. Diese Auffassung ging in der barbarischen Cultur des Westens im frühen Mittel-
alter nach und nach verloren. Die Vorstellungs- und Darstellungsfähigkeit der neuen Völker musste erst
langsam lernen, das zu sehen und zu verstehen, was in dem Schatze der antiken Ueberlieferung ver-
borgen lag. Erst nach Zurücklegung ähnlich verlaufender Jugend konnte sie das Erbe übernehmen.

Wir gewinnen einen Blick auf den grossen Strom der Kunstentwicklung, deren weltgeschichtlich
einheitlicher Verlauf über jede äusserlich historische Störung und über alle localen oder zeitlich vor-
übergehenden Einflüsse hinweg durch die inneren Kräfte einer gegebenen allgemein-psychischen Vor-
aussetzung und durch die in ihr enthaltenen unverrückbaren Probleme der Kunst gesetzmässig be-
stimmt wird.

: Aehnliche Stammbäume waren z. B. in Bicetre.

Fig. 40. Vom Grabdenkmale Urbans V. in Avignon.
 
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