Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0138
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
132

Heinrich Modern.

Feuerstrahl mit einem Sternstrahl alternirt.1 Bei der Ceremonie spielte sich ein Zwischenfall ab, der
seinerseits zur weiteren Ausbildung der Schwert- und Hutweihe beigetragen haben mag.

Robert von San Severino konnte den ihm zum Ablesen vorgelegten Eid nicht lesen; er ent-
schuldigte sich, er habe sein Augenglas zu Hause vergessen; der Cardinalpresbyter von Mailand las
ihm den Schwur Wort für Wort vor, Robert sprach ihn nach. Im Ceremoniale des Patritius finden
wir den Fall, dass der Schwertcandidat nicht lesen kann, schon ausführlich behandelt: der Analphabet
bittet nicht um den Segen und liest nicht die fünfte Lectio; dies thut für ihn ein Hausprälat, der dann
nach dem Analphabeten gleichfalls zum Fusskuss zugelassen wird.2 Unter Julius II. vollzog sich die
Weihe des Gonfaloniers nach dem neugeschaffenen Ceremoniel.3

Hier ist eine wesentliche Bemerkung über das Werk des Patritius »Rituum ecclesiasticarum libri
tres« einzuschalten. Es wurde erwähnt, dass in dem Capitel »De benedictione et traditione vexilli
bellici« die im Jahre 1485 angeordnete Veränderung des Ceremoniels nicht berücksichtigt wurde, dass
vielmehr das alte beibehalten erscheint, andererseits die Bemerkung gemacht, dass ein Zwischenfall bei
Anwendung des neuen Ceremoniels im Jahre 1485 zur Weiterbildung der Schwert- und Hutweihe
Anlass gegeben haben mag, welche Ausgestaltung im selben Ceremoniale schon enthalten ist; hier
scheint ein Widerspruch obzuwalten, den ich hiemit aufkläre. Innocenz VIII. gab Patritius den Auf-
trag, den Liber Pontificalis abzufassen; dieser nahm sich Burchard zum Mitarbeiter und beide gaben,
wie aus dem Kolophon ersichtlich ist, das Buch im Jahre 1485 zu Rom heraus. Patritius bekleidete
damals das Amt des Oberceremonienmeisters nicht mehr, er hatte es vor dem Tode des Papstes
Sixtus IV. (f i3. August 1484) zurückgelegt; Burchard war sein Nachfolger. Wie aus der Epistola
nuncupatoria des Patritius an Papst Innocenz VIII. vom Jahre 1488 hervorgeht,4 erhielt Ersterer 1485
vom Papste den Auftrag, das Ceremonienbuch abzufassen. Er unterzog sich sehr ungern, »nur aus
Gehorsam«, diesem Befehle; für den zweiten Theil nahm er sich wieder Burchard zum Mitarbeiter,
»der über alle Ceremonien sorgfältig gesammelte Aufzeichnungen habe«. Das Elaborat wurde einem
Cardinalscollegium zur Censur vorgelegt und von diesem approbirt, erschien vorläufig aber nicht im
Drucke. Es ergaben sich Schwierigkeiten, die aus dem Umstände erwachsen sein mögen, dass die
Arbeit nicht von einer Hand stammte, dass die rechte Hand nicht immer wusste, was die linke gemacht
hatte. Als classisches Beispiel hiefür erwähne ich den schon Eingangs citirten Satz aus dem ersten von
Patritius abgefassten Buche: »Sed quamvis ensis benedictus vocatur, non tarnen reperi ejus benedictio-
nem.« Dieser Satz hat den Kirchenschriftstellern schon viel Kopfzerbrechen gemacht — unbegreif-
licher Weise! Der gelehrte Mansi hat dieses Satzes wegen die Entstehung der Benediction in die Zeit
Sixtus IV. verlegt; Catalani und andere, die hiemit nichts anzufangen wussten, haben ihn einfach —
weggelassen. Patritius hätte aber nach der Weiheformel, die er nicht finden konnte und für die er
einen selbstverständlich nie zur Verwendung gelangten Entwurf verfasste, gar nicht lange zu suchen
gehabt. In dem von ihm unter Beihilfe Burchards drei Jahre früher herausgegebenen Pontificale Ro-
manum, Liber II, fol. 228', war das Capitel »De benedictione ensis« zu finden, dort auch die vermisste
Weiheformel, die bis Urban VIII. unverändert im Gebrauche war und heute noch alternativ mit der
von Urban VIII. vorgeschriebenen gebraucht werden darf. Offenbar hat Burchard dieses Capitel des
Pontificale gearbeitet, von dem Manuscript des Ceremoniale aber nur insoweit Kenntnis gehabt, als er
selbst es geliefert hatte; sonst wäre dieser Satz und mancher andere des ersten Buches des Ceremoniale
nicht stehen geblieben, auch das Capitel »De benedictione et traditione vexilli bellici« wäre nach dem
neuen Ceremoniel umgearbeitet worden.

Im Jahre 1516 liess Marcellus, Erzbischof von Corcyra, ein Venezianer, früher Kaufmann, das
Ceremoniale des Patritius und Burchard unter seinem Namen drucken. Nirgends wird der Verfasser

1 Der Commandostab war an der Spitze, so wie das im Museum zu Cassel befindliche, gleichfalls von Innocenz VIII.
an den Landgrafen Wilhelm I. von Hessen verliehene Schwert, mit einem Pfauen verziert, wodurch die Vermuthung Lessings,
der Pfau sei ein persönliches Symbol Innocenz VIII., bestätigt wird.

2 a. a. O., Liber II: De matutinis noctis Nativitatis Papa praesente, f. 77.

3 Vgl. Paris de Grassis, ed. Frati, p. 236, 307, 3n. 4 Mabillon, a. a. O., 585 f.
 
Annotationen