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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0137
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Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses. I 3 I

stehung der Schwert- und Hutweihe, die Ausbildung des Ceremoniels ist also auf ältere, verwandte
päpstliche Ceremonien zurückzuführen. Noch eine andere, viel ältere Verleihung der Päpste an Mon-
archen und hohe Adelige ist zu erwähnen, deren Ceremoniel der Schwert- und Hutweihe zum Vor-
bilde gedient hat, die Verleihung der goldenen Rose. Wie Schwert und Hut am Weihnachtsabende,
so wurde die goldene Rose am Sonntage »Laetare Jerusalem« (quarta dominica Quadragesimae, daher
dominica de rosa oder Rosensonntag genannt) in der Paramentenkammer vom Papste geweiht. Wie
Schwert und Hut öfter nach der Pontificalmesse des 25. December, so wurde die goldene Rose ent-
weder am erwähnten Sonntage nach der Messe oder nach der Messe des Palmsonntags oder des Oster-
sonntags feierlich vom Papste übergeben. Bei beiden Ceremonien erfolgte nach der Uebergabe das
feierliche Geleite des Beschenkten durch Gardinäle, Gesandte, Clerus und Adel. Vielfach erhielten
dieselben Monarchen nach der goldenen Rose in späterer Zeit Schwert und Hut, mehrfach ein Konig
oder Fürst Schwert und Hut, dessen Gattin die Rose. Cesare Borgia bekam am Rosensonntag die
Rose und wurde gleichzeitig Gonfalonier der römischen Kirche (29. März 1500). Raymondo di Car-
dona, Vicekönig von Neapel, erhielt von Julius II. 1512 Schwert und Hut und gleichzeitig die zwei
Fahnen und den Commandostab eines Gonfaloniers. Mir ist aber kein einziges Beispiel bekannt, dass
gleichzeitig Schwert, Hut und Rose an einen Einzelnen verliehen wurden.1

Schliesslich sei der Ceremonie der »creatio in confalonierium S. Romanae ecclesiae«, wie Bur-
chard, oder der »creatio vexilliferatus ecclesiae Romanae«, wie Grassi sie benennt, gedacht. Bei Augu-
stinus Patritius ist das betreffende Capitel mit »De benedictione et traditione vexilli bellici« überschrieben.
Bei dieser Ceremonie wurden in erster Zeit eine oder mehrere Fahnen übergeben, die mit dem Wappen
der römischen Kirche, dem Familienwappen des Papstes und religiösen Darstellungen geschmückt
waren;2 später kam ein Commandostab (baculum, virga) und ein Hut dazu, der dieselbe Form und
fast die gleiche Decoration hatte wie der geweihte Hut der heiligen Nacht. So hat die Schwert- und
Hutweihe wieder auf die viel ältere Benedictio vexilli bellici zurückgewirkt. In diesem Falle ist die
historische Entwicklung ganz klar. Am 3o. November 1485 wurde Robert von San Severino3 zum
Gonfaloniere der römischen Kirche geweiht. Der päpstliche Ceremonienmeister Burchard entwarf hiefür
das Ceremoniel; in seinem Entwürfe ist von einem Hute oder Commandostabe noch keine Rede, doch
wurde er abgeändert. Burchard bringt in seinem Diarium (I, i63—168) den ursprünglichen Entwurf
sowie die Beschreibung der Ceremonie, wie sie vollzogen wurde.4 Nach seiner Schilderung hatte der
neu hinzugekommene Hut die Form und Decoration des geweihten Hutes; nur die Sonne auf dem
Scheitel bestand aus acht Feuerstrahlen (radii torti) in Perlenstickerei, »prout Jesus S. Bernardini de-
pingitur«, während bei den uns erhaltenen geweihten Hüten 16 Strahlen gestickt sind, wobei je ein

1 Vgl. dagegen Lessing Julius, Die Schwerter des preussischen Krontresors: Jahrbuch der königl. preussischen Kunst-
sammlungen XVI (1895), S. 113: »Die goldene Rose wird späterhin vielfach gemeinsam mit dem geweihten Schwerte verschenkt.«
Die legendäre Schenkung eines Schwertes zugleich mit der Rose am Rosensonntag IJ64 an die berüchtigte Johanna von
Sicilien hat auf Glaubwürdigkeit keinen Anspruch, die Berichte hierüber widersprechen sich auch. Die Annales ecclesiastici
XXVI, 164 erwähnen nur die Rose. Von den zahlreichen goldenen Rosen, die an Kaiser, Kaiserinnen, Erzherzoge und Erz-
herzoginnen aus dem Erzhause verliehen wurden, hat sich nur die an Kaiserin Karoline Auguste im Jahre 1819 von Papst
Pius VII. verliehene in der kaiserlichen Schatzkammer zu Wien erhalten.

3 In Stumpfs Schweizerchronik, Ausgabe vom Jahre 1548, fol. 460b, sind die zwei Fahnen mit dem Familienwappen
des Papstes und dem Wappen der römischen Kirche reproducirt, die Julius II. den Eidgenossen im Jahre 1512 geschenkt
hatte; sie gingen bei dem Brande des Klosters Einsiedeln (23. April 1577) dort zu Grunde. Von den Fahnen, die die ein-
zelnen Cantonscontingente erhielten, sind mehrere erhalten, darunter die herrliche Züricher mit der Krönung Mariens im
Schweizer Landesmuseum zu Zürich, dessen Director Dr. Angst mir freundlichst hierüber Mittheilungen zukommen Hess. Die
Literatur bei Pastor, a. a. O. III, 717 f.

3 Diesem berühmten Condottiere, gefallen 1487 in der Schlacht bei Calliano, im Kriege des Erzherzogs Sigismund
von Tirol gegen die Venezianer, setzte Kaiser Max I. im Dome von Trient das bekannte herrliche Grabdenkmal. Vgl. Schön-
herr David, Die Kunstbestrebungen Erzherzogs Sigmund von Tirol, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Aller-
höchsten Kaiserhauses, I, 192. Mittheilungen der Central-Commission, N. F. VII, 75. Kunsthistorischer Atlas der k. k. Central-
Commission X, 48, Tafel XXIV.

4 Noch eingehender schildert Burchard (a. a. O. III, 26 f.) dieses Ceremoniel bei der Bestellung des Cesare Borgia zum
Gonfaloniere der römischen Kirche.
 
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