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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Giulio Romano und das classische Alterthum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0225
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Giulio Romano und das classische Alterthum. 2 I 9

eingeführten Satyrn betitelt, waren diese und Faune, Berg-, Baum-, und Wiesennymphen die handeln-
den Personen.1

Keineswegs will ich mit diesen Beispielen behaupten, dass vielleicht eine Wechselbeziehung
zwischen solchen Hirtendramen und Giulio s Compositionen bestehe. Beide gehen eben auf dieselbe
Quelle die bukolischen Dichter und besonders Vergil, zurück, wie uns sofort klar wird, wenn wir den
eben citierten Chor der Dryaden, die über den Tod der Eurydice klagen, mit der gleichfalls schon er-
wähnten Stelle aus Vergil Georg. IV, 459, vergleichen, wo die Dryaden eben auch beim Tode der
Eurydice in Klage ausbrechen.

In diese Reihe der Naturpersonificationen gehören auch der Zephir in dem Bilde des Mahles der
Psyche und die Windgötter in der Sala dei Giganti.

Den Zephir hatte Giulio als Jüngling mit Flügeln an den Schultern gestaltet, auf den Wolken
ruhend, wie er leise in sein Horn haucht, während die Windgötter in der Sala dei Giganti, in gleicher
Weise gebildet, mit mächtig geschwollenen Backen in ihre Hörner stossen. Sie sind ganz so gebildet,
wie wir sie auf antiken Reliefs finden, so z. B. auf der Sardonyxschüssel, die aus farnesischem Besitze
ins Museo Borbonico kam (Mus. Borb. XII, t. XLVIL), dann auf Sarkophagen, z. B. Matz-Duhn 2235,
2717, 3oog, 3200. In grösserer Anzahl erscheinen sie auf dem Phaetonsarkophag bei Maffei, Mus.
Veron., tab. I, LXXI.

Gleichfalls auf Sarkophagreliefs geht die Darstellung von Helios und Selene, »den ewig waltenden
Göttern«, zurück, die mit ihrem Viergespann die Bahn des Himmels durchmessen und die Handlung
nach der Zeit wie die Quellgötter nach dem Orte begrenzen. So taucht Auroras Viergespann über dem
Meere auf in dem Bilde der »Geburt« in der Grotta, in Beziehung auf das beginnende junge Menschen-
leben, wie Selene mit ihrem Wagen in den Wolken verschwindet bei den letzten Athemzügen des
Greises. Auch bei der Bestrafung des Laokoon erscheint Helios in den Wolken zur Bezeichnung der
Furchtbarkeit des Geschehenden, in seiner Gestalt lebhaft an den Helios eines Sarkophages in Mantua
(Labus III, t. XIII) erinnernd.

In den beiden ersten Darstellungen lässt sich der allegorische Charakter dieser Göttergestalten

nicht verkennen, wie wir überhaupt bei Giulio schon die Mythologie in die Allegorie übergehen sehen

können. In diesem Sinne ist auch in dem eben erwähnten Bilde der »Geburt« die Frauenfigur links

im Vordergrunde aufzufassen, die eine Fackel in Brand steckt, zur Bezeichnung des erwachenden

Lebens des Neugeborenen. Der Stich Giorgio Ghisis bezeichnet sie mit der Inschrift:

»Quo genio exceptum te mater Memnonis afflet
Quosque faces tibi vita accendat ad omnia refert«

als Vita, ganz im Sinne der antiken Moiren.

Es zeigt sich also in Giulio Romanos Werk der Einfluss antiker Kunst und Literatur gleich
stark; immer bleibt die Antike seine Führerin und Weiserin, an die er sich innig hält, ohne dass er
jedoch verhindern kann, dass seine künstlerische Individualität gelegentlich zum Durchbruch kommt.
Am eigenartigsten geschieht dies schon bei der nach seinen Entwürfen ausgemalten Sala dei Giganti:
»La piu capricciosa invenzione, che si potesse trovare,« nennt sie Vasari; und in der That wird sich
nicht leicht ein Werk finden lassen, das an Seltsamkeit der Erfindung diesem gleichgestellt werden
kann. Ich will von diesem »sinnbetäubenden Lärmstück« keine Beschreibung liefern; es hat dies in
beredter Weise Vasari in seiner Vita des Giulio gethan. Nur auf den Gegensatz will ich hinweisen, in
dem Giulio hier zu antiken Darstellungen des gleichen Gegenstandes steht. Ovids Schilderung in den
Met. I, 152 fr., gab ihm den allgemeinen Gedanken und diesen spann seine Phantasie in der barocksten
Weise aus. Während die antike Mythologie den ganzen Olymp bis auf den kleinen Amor hernieder
am Kampfe theilnehmen lässt, sind Giulios Götter voll Furcht und Schrecken und suchen sich alle in
wilder Unordnung zu retten. Nur Jupiter allein kämpft gegen die Giganten, auf die er ganze Flammen-
bündel schleudert, Alles in Trümmer werfend, unter denen die Riesen ihren Tod finden, und noch

A. a. O. V, 57.

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