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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Die Bilder weiblicher Halbfiguren aus der Zeit und Umgebung Franz I. von Frankreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0229
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Die Bilder weiblicher Halbfiguren aus der Zeit und Umgebung Franz I. von Frankreich.

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arbeitete, sollten alle verloren gegangen sein. Was musste da nicht alles für Kirchen und Stiftungen,
für häusliche Andacht und zur Ausschmückung der Wohnräume gemalt worden sein. Die Frage, wo-
hin die Bilder dieses Damenhofes gekommen sind, lässt sich nicht zurückdrängen, so viel davon auch
in der Zeit der Hugenottenkämpfe und während der Revolution mag zerstört worden sein.

Wollen wir nun die Bilder, die dem sogenannten Meister der weiblichen Halbfiguren
zugeschrieben werden, als einen Theil dieses verschwundenen Kunstbesitzes erklären, so wird es
mancherlei Versuche bedürfen, sie an die Ueberlieferung anzuknüpfen. Diese Ueberlieferung ist aber
zu fragmentarisch, als dass sich mit ihr ein urkundlicher Beweis führen Hesse, dass diese Bilder an den
Hof Franz I. gehörten. Lässt sich das nicht direct beweisen, so muss doch alles herzugebracht werden,
was es wahrscheinlich macht, und der Leser wird auf verschiedenen Wegen folgen müssen, um dort-
hin zu gelangen, wo es nicht mehr vermessen erscheinen wird, die Frage: »Wo sind die Bilder die-
ses literarischen Damenhofes hingekommen?« mit der lange schon aufgeworfenen zu beant-
worten: »Wer hat die weiblichen Halbfiguren gemalt, diese Idealbilder schöngeistiger
Hofdamen?«

II. Zur Geschichte des Problems; der Besitzstand.

Waagen war der Erste gewesen, der auf diese Bilder aufmerksam machte. Er beschreibt in sei-
nen Kunstdenkmälern in Wien (I, S. 324) ein Bild in der Galerie Harrach mit drei musicieren-
den Damen (Tafel XXXII) und in seiner Beschreibung der Ermitage in St. Petersburg (S. 12)
ein fast identisches (Tafel XXXI). Er macht zwar auf die nahe Verwandtschaft dieser beiden Bilder
nicht ausdrücklich aufmerksam; doch sagt er, dass er von diesem Künstler schon mehr als zwölf Bil-
der gesehen habe.

Waagen hatte die Werke eines anderen anonymen Künstlers, die er hervorhob und zusammen-
stellte, für die Werke des Jan Mostaert gehalten, eines Künstlers, der durch van Mander, der ihm
einen Abschnitt seines grossen Werkes gewidmet hatte, bekannt war, dessen Werke aber für verloren
galten. Auch Waagen hat sie nicht gefunden; es gelang das erst Gustav Glück, der uns mit den
echten Bildern des Mostaert bekannt gemacht hat (Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge, Bd. VII,
S. 265 ff.). Seinem Mostaert, dem Pseudo-Mostaert, wie man ihn jetzt nennt, für verwandt hielt
Waagen die Bilder jener rnusicierenden Damen in Wien und in Petersburg. Er setzte daher auch
diesen anonymen Maler in dessen Nähe und charakterisierte ihn als einen Künstler, der »meist Frauen
von sehr gefälliger aber sehr einförmiger Bildung in einem kühl röthliöäaem Tone höchst zart und ver-
schmolzen ausgeführt hat«.

Einen weiteren entscheidenden Schritt hat Scheibler gethan. Er zählte im Cicerone die Bilder
dieser Art in Italien auf. Er wies dabei zuerst auf ein historisches Gemälde, auf eine »Kreuzigung« in
Turin hin, die er demselben Meister zuschrieb, dem er den Namen des Meisters der weiblichen
Halbfiguren gegeben hatte. Karl Justi versuchte dann (in der Zeitschrift für bild. Kunst, Bd. XXI,
S. i39) den Künstler unter die Nachfolger Gerhard Davids einzuordnen.

Nun war es nicht mehr schwierig, Bilder dieser Art in öffentlichen und in Privatsammlungen
auszusondern. Nach und nach kam man zu einer stattlichen Anzahl. Zweier misslungenen Versuche
muss ich Erwähnung thun, weil sie leicht hätten Verwirrung stiften können, es zum Theil ja auch ge-
than haben. Robert Stiassny hat die Bezeichnung »Meister der weiblichen Halbfiguren« zu wört-
lich genommen. Er hat im Repertorium für Kunstwissenschaft (Bd. XI, S. 377 ff.) alles, was er in ober-

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