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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0039
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Aus Rubens' Zeit und Schule.

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ein zweites Werk seiner Hand, das heute verschollen und uns nur durch Reproduktionen in Storffers
Miniaturwerk und in Stamparts und Prenners Prodromus bekannt ist, die Halbfigur einer jungen
Frauensperson, die einen Spiegel und eine Wage in den Händen hält, wohl eine Allegorie der Gerechtig-
keit.1 Auch diese Komposition zeigt den Meister im Gefolge der vlämischen Nachahmer Caravaggios;
die derb naturalistische Auffassung ist der Schule Rubens' völlig fremd.

Eher nähert sich der Künstler dem Stile Rubens' oder, richtiger gesagt, der Weise von dessen
Schüler Van Dyck in dem Bildnisse eines Malers in der Galerie zu Schleißheim (Nr. 328, Fig. 26).
Es ist das Brustbild eines sehr jungen Mannes, der, ähnlich wie es auf Selbstbildnissen Van Dycks
vorkommt, dem Beschauer den Rücken zukehrt und mit rückgewendetem Antlitz aus dem Bilde heraus
sieht. In der erhobenen Rechten hält er den Pinsel. Der schöne, blondgelockte Knabe ist wohl
schwerlich der Maler selbst, wie im Verzeichnisse der Schleil3heimer Galerie angenommen wird, eher
ein junger Schüler aus gutem Hause oder der Sohn des
Künstlers. Die Modellierung des Kopfes ist hier viel sorg-
fältiger und mit feinerem Pinsel durchgeführt als auf der
breiten Studie des Bacchus. Vollkommen übereinstimmend
ist die Behandlung des blauen Gewandes mit den pastos auf-
gesetzten Lichtern. Daß dieses Bild von derselben Hand
herrührt wie der Bacchus, beweist überdies die Bezeichnung,
die sich links oben nahe dem Bildrande findet und auch in
den Schriftzügen vollkommen mit der des Wiener Bildes
übereinstimmt: J.v.d.f. Auch die alten Inventare der könig-
lich bayrischen Sammlungen kennen den Namen des Meisters.

Ganz denselben Stil wie das eben besprochene Knaben-
bildnis zeigt auch ein Werk von größerem Umfange, das
Porträt eines Ehepaares mit seinen zwei Kindern im Museum
zu Tournai (abgebildet bei H. Hymans, Gent und Tournai,
Leipzig 1902, S. 114). Unter freiem Himmel sitzt eine vor-
nehme Dame in derselben Tracht, wie wir sie aus Teniers'
Bildern und Van der Lamens Gesellschaftsstücken kennen,
am Klavier, ihre Hände ruhen auf den Tasten und sie scheint Fig- 24- Jan Van Dalem, Bacchus,

zu spielen, obwohl sie den Blick auf den Beschauer richtet. wien> kais- Gemäldegalerie.

Neben ihr steht ihr Gatte und blättert ihr die Noten um.

Links im Vordergrunde sind die beiden Kinder des Ehepaares, ein etwa achtjähriger Knabe und ein
etwa vierjähriges Mädchen, um einen Vogelbauer beschäftigt. Die Gruppierung dieser lebensgroßen
Halbfiguren ist geschickt und zugleich anmutig, die Ausführung der Köpfe zeugt von der gleichen
Sorgfalt wie die des Schleißheimer Knabenbildnisses, die Behandlung der Nebendinge, insbesondere
der Landschaft des Hintergrundes, ist breit, fast schematisch. Das Gemälde ist mit dem Namen des
Künstlers bezeichnet, in ähnlichen Schriftzügen, wie sie die Initialen der Gemälde in Wien und Schleiß-
heim zeigen: J" van dalem f. 164g.

Diesem Familienbildnisse sehr nahe verwandt ist das Porträt einer jungen Dame am Klavier in
der Galerie der Akademie der bildenden Künste zu Wien (Nr. 650, Gonzales Coques zugeschrieben,
Fig. 25): ein etwa sechzehnjähriges Mädchen in vornehmer Tracht sitzt am Klavier und blickt, wäh-
rend sie spielt, den Beschauer an. Daneben sieht man einen Mohrenknaben mit einem Jagdhund an
der Leine, einem Papagei, der auf seinem rechten Arm sitzt, und einer Weintraube, die er mit der
Linken emporhält. Man sieht, die junge Dame hat sich mit dem umgeben, was ihr am liebsten ist:

1 «Nr. 74. Ein Contrafait, Brustpildt, von Öhlfarb auf Goldtstuckh eines jungen Weibspildt, welches ein Spiegel

hält vnndt in der rechten Handt ein Wag. In einer vergulden Ramen mit Oxenaugen, hoch 4I/2 Span vnndt 4 Span breidt
genav. Original von von Daelen.»

XXIV. 5

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