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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0049
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Aus Rubens' Zeit und Schule.

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an Rubens in der Technik: ganz in der Art der Rubens'schen Skizzen — nur mit weniger Geist — ist
die breite, flotte Malweise mit den hellen, leuchtenden Farben und dem lichtbräunlichen Gesamtton.
Solche Merkmale lassen eher an den Vater denken, der noch bei Rubens selbst gelernt hat, als an den
Sohn, dessen Lehrzeit nach Rubens' Tode begonnen hat. Überdies gibt es im Brüssler Museum eine
Anzahl von Skizzen (Wouters Nr. 363), die wohl mit Recht Erasmus Quellinus zugeschrieben werden
und die mit der unserigen die größte Verwandtschaft haben.

Ein einziges Gemälde von sehr großen Maßen führt gegenwärtig in der kaiserlichen Galerie Eras-
mus Quellinus' Namen: die Kaiserkrönung Karls V. durch Papst Clemens VII. zu Bologna im Jahre
1530 (Nr. 1086, Taf. VI). Auffallend ist der stark dekorative Charakter dieser Leinwand. Die Köpfe
sind breit und kräftig modelliert, das Beiwerk ist betont und prächtig ausgestattet; und auch die Archi-
tektur deutet auf eine dekorative Verwendung des Werkes hin. Leicht erkennt man, daß hier der
Zusammenhang mit Rubens' Schule nicht mehr sehr nahe ist; von der heitern und gewaltigen Freudig-
keit der Farbe des großen Meisters ist nur wenig zu sehen, das Kolorit ist trotz aller Pracht etwas
stumpf und schwer und nur in einzelnen Köpfen des Vordergrundes spürt man einen Hauch von
Rubens' Kunst. Die starken Verkürzungen der Gestalten und der Architektur machen auf den ersten
Blick wahrscheinlich, daß das Werk ursprünglich nicht als Wandbild sondern als Deckengemälde
gedacht war, was auch der von uns schon hervorgehobene dekorative Eindruck des Ganzen bestätigt.
Wenn es aber ein Deckenbild ist, so liegt die Vermutung nahe, daß es für irgend ein Mitglied des Kaiser-
hauses geschaffen worden sei. Denn welcher Privatmann sollte im XVII. Jahrhundert den Auftrag zu
einem so großen Zeremonienstück aus der Geschichte Kaiser Karls V. gegeben haben ? Freilich begegnet
uns die Gestalt des habsburgischen Kaisers, in dessen Reich die Sonne nicht unterging, sehr häufig in
der vlämischen Kunst des XVII. Jahrhunderts: ich brauche hier nur an Rubens' Festdekorationen zum
Einzüge des Kardinalinfanten Ferdinand in Antwerpen und an die ähnlichen Arbeiten, die Crayer für
den Einzug desselben Prinzen in Gent entworfen hat, zu erinnern. Dies sind aber Anlässe, wo es wohl
angebracht war, den zu feiernden habsburgischen Prinzen an die glorreiche Vergangenheit seines Hauses
zu erinnern. Das Gedächtnis des großen Ahnen, der dem habsburgischen Besitze ein Weltreich
gewonnen hatte, das freilich bald wieder zertrümmert werden sollte, ist das ganze XVII. Jahrhundert
lang in seiner Familie lebendig geblieben.

Wer ist nun der hohe Besteller dieser monumentalen Arbeit? Die Antwort auf diese Frage ergibt
sich mit Sicherheit aus einer Quelle, die uns erst vor kurzem erschlossen worden ist und die uns zu-
gleich auch über die Entstehungsgeschichte und über den wahren Urheber des Werkes belehrt. In
den Reiseschilderungen des schwedischen Architekten Nikodemus Tessin d. J. aus dem Jahre 1687, die
Gustaf Upmark in der vortrefflichen Zeitschrift «Oud-Holland» (XVIII, S. 200) veröffentlicht hat, findet
sich eine Stelle, worin Tessin über einen Besuch im Hause des Malers «Quellin» zu Antwerpen berichtet.
Unter diesem Namen kann im Jahre 1687 nur Jan Erasmus Quellinus verstanden worden sein, da
damals sein Vater Erasmus schon neun Jahre tot war. In der Werkstatt dieses Jan Erasmus sah also
der schwedische Architekt zwei Stücke, die nach Wien geschickt werden sollten, um dort die Decke
eines großen Saales in der kaiserlichen Burg zu schmücken. Der Schmuck der Decke sollte eine Folge
von 15 Darstellungen aus dem Leben Karls V. enthalten; die ersten drei Bilder der Serie waren schon
vorher nach Wien geschickt worden.1

1 «H. Quellin, der Cousin von dem gemelten [dem Bildhauer], wirdt hie wie der beste Mahler geschätzt, hat viele
grosse stijcke gemahlt, wie insonderheit zu sehen ist a St. Michel, dass gross mächtige stijck auf der rechten hand vor der
kirchen im Creutz, wo unser herr Christus, an den gichtbruchen saget dass bett aufzuheben undt vortzuwandern, alwor die
Architectur sehr schön mesliret, wie auch imgleichen zu sehen ist im selbigen Refectorie an allen dehnen grossen stijcken,
in welchen er viele des P. Veronesi manier geimitiret hat, nach dheme er auch in Venedig gestudiret hat. Im hause bei) ihme
haben wir zwei stijcke gesehen, so nach Wien sollen geschicket werden, umb in ein plafond zu kommen, da
15 stijck in kommen von Caroli V" leben; dreij waren schont vorher hingeschickt; und sollen sie gesetzt
werden unter dass dach im grossen Sahl vom Schloss zu Wien. Sonsten wiess er uns auch zweij lebensgrosse
contrefaiten die er nach dehm Keijsser und der Keijsserinnen gemahlet hat, worinnen aber zu sehen wahr dass er gantz
undt gar nicht in Contrefaiten zu recht kömpt.»

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