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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0059
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Altsalzburger Tafelbilder.

53

Diese übervollen Kalvarienberge werden nun gleichfalls ein Gemeingut der spätgotischen Bildkunst.
In den einzelnen Schulen erfährt aber der Typus unterscheidende Modifikationen. So weichen die
bayerisch-österreichischen Kreuzbilder in bestimmten Grundzügen von den schwäbischen, fränkischen,
oberrheinischen und niederdeutschen Darstellungen des Gegenstandes ab. Ihr Verbreitungsbezirk fällt
so ziemlich mit dem des Stammesidioms zusammen, erstreckt sich also über das bayerische Süddonau-
land, Tirol, Salzburg bis hinein nach Innerösterreich. Aus Oberbayern seien genannt die Kreuzigungs-
gemälde in Törrwang bei Rosenheim, St. Leonhard im Bezirksamt Wasserburg und in Oberberg-
kirchen im Innviertel, Bezirksamt Mühldorf1; ferner eine Tafel in der Erasmuskapelle der Münchener
Frauenkirche (von Thode, Malerschule, S. 91, konsequenterweise einem Nachfolger Pfennings zu-
geschrieben) und zwei Bilder der Schleißheimer Galerie (Nr. 61, 68). Die nämliche Komposition liegt
zu Grunde einem 1482 datierten Kupferstiche, dessen Monogramm h. w. von Nagler auf den Mün-
chener Hans von Windsheim gedeutet wurde 2, und einer Federzeichnung des Städelschen Instituts
zu Frankfurt a. M.3 Von Tiroler Bildern dieser Gattung sind erwähnenswert die von Semper a. a. O.
abgebildeten Exemplare aus Bozen und Brixen im Innsbrucker Ferdinandeum, aus Brixen im Diö-
zesan-Museum zu Freising und die Fresken im vierten Gewölbjoche des Brixener Kreuzganges sowie
in der Schloßkapelle zu Brughiero im Bezirke Cles. Aus Steiermark zählt hierher das Grazer Dom-
bild von 1457, das hervorragendste Tafelwerk des Landes, auf das noch zurückzukommen sein wird.
Dieselbe Anordnung zeigt ferner das Mittelbild eines Flügelaltares in der Hallstätter Pfarrkirche
(früher in der Kapelle am Salzberg), meines Erachtens eine Arbeit des nämlichen Lokalmalers, der
sich durch den von Kaiser Friedrich III. 1449 in die Spitalskirche von Aussee gestifteten Dreieinigkeits-
altar seit längerem eine Stelle in den Handbüchern der deutschen Kunstgeschichte gesichert hat
(Fig. 1). In Oberösterreich wären sonst hervorzuheben zwei Tafeln des Linzer Museums (Saal V
und VII) — die eine aus Altmünster am Traunsee —■ und das Mittelstück eines kleinen Triptychons
in der Sammlung des Stiftes St. Florian.4 Auf Vollständigkeit macht diese Liste keinen Anspruch.
Es handelte sich nur um einen raschen topographischen Uberblick über einen ziemlich weit ver-
zweigten Bilderkomplex, dem ohne Frage auch das Wiener Gemälde angehört.

Selbstverständlich verliert unter diesem Gesichtspunkt die Erscheinung Pfennings erheblich an
Bedeutung. Wir haben keinen originellen Frühmeister vor uns, keinen neuschaffenden Genius, keinen
Stephan Lochner von Nürnberg, als der Pfenning von Thode auf den Schild gehoben wurde, sondern
einen wackeren oberdeutschen Durchschnittsmaler, in dessen Werk der individuelle Typus durch-
aus hinter dem Schultypus zurücktritt.

Das kräftig gefärbte Bild (Taf. VII) ist noch ganz in Tempera gemalt, auf einer 180 cm hohen
und ebenso breiten Eichentafel. Einzelne abgesprungene Randstellen lassen unter dem dicken Kreide-
grunde noch eine Leinwandunterlage erkennen. Die Modellierung ist bei ziemlich derben Umrissen
durch die bekannte Strichelmanier bewirkt, der Goldschmuck erhöht aufgesetzt. Dieses bis zur Ein-
führung der Öltechnik allen westeuropäischen Schulen gemeinsame Verfahren hat E. Berger mit Recht
als gefirnisste Miniaturmalerei auf Holz bezeichnet.5 Das Vorbild der Illuminierkunst schlägt bei Pfen-
ning auch sonst durch, in dem kleinlichen Reichtum der Darstellung und der fleißigen Nachbildung der
Nebendinge. Die Frauengruppe im Vordergrunde könnte ebensogut auf dem Pergamentblatt eines Bre-
viarium oder Passionale stehen. Für den naiven Naturalismus dieses Kleinstiles charakteristisch ist der
durchscheinende Schurz des Gekreuzigten, der sich auch auf dem Kanonbild eines Missale von 1432 im
Stifte St. Peter zu Salzburg findet.6 Der miniaturähnliche, illustrative Charakter des Pfenningschen

1 Kunstdenkmale des Königreiches Bayern I, Taf. 223, 242, 253.

2 Bartsch VI, 312, 1; Publikationen der Internat. Chalkographischen Gesellschaft 1888, Taf. 4.

3 Schönbrunner-Meder, Handzeichnungen alter Meister IV, Taf. 478.

4 Abbildung in «Kunstgewerbliche Gegenstände der kulturhistorischen Ausstellung zu Steyr» 1884, Heft V, Nr. 1.

5 Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Maltechnik, 3. Folge, München 1897, S. 52 f.

6 Abbildung im Missale Romanum, herausg. von Reiß, Wien 1862; vgl. Neuwirth, Sitzungsberichte der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften 1886, S. 195.
 
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