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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0068
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62

Robert Stiassny.

Sinn für Massenwirkung, für dramatische Entwicklung des Vorganges, seinem Streben nach kräftiger
Individualisierung kam das —■ sonst von ihm unerreichte — Muster ihrer Monumentalmalerei wahl-
verwandt entgegen. Daneben wäre das reinere Formgefühl, das sich auf dem Grazer Bilde nicht
nur in der Behandlung des Nackten sondern auch in der Zurückdrängung nordischer Geschmack-
losigkeiten und Exzentrizitäten kundgibt, kaum erklärbar ohne die fruchtbare Einwirkung italieni-
scher Kunst. In Verona und Padua mag auch sein perspektivisches Interesse geweckt worden sein,

dort wird er den Kunstgriff sich angeeignet
haben, stark herausmodellierte Vordergrundfigu-
ren und hellbeleuchtete Pferdekruppen als «Ab-
schieber» zu verwenden. An die Tierliebhaberei
Pisanellos erinnert endlich das entschiedene Ta-
lent, mit dem Laib Pferde und Hunde schildert.
Es war eben die Zeit, wo der Einfluß Veronas,
der schon seit Beginn des XV. Jahrhunderts in
den angrenzenden Alpengebieten sich geltend
macht, die Höhe seiner Ausbreitung erreicht
hatte. Daß er auch Pfenning gestreift habe, ist
von anderer Seite vermutet worden.1 In der
Wandmalerei beherrscht er Südtirol nahezu aus-
schließlich und zieht sich über den Brenner in
verschiedenen Abblassungen bis nach Bayern
hinein. Am Grazer Dom selbst begegnet uns in
dem interessanten Votivbild zur Abwehr von
Pest- und Kriegsgefahr an der südlichen Außen-
seite ein letzter Ausläufer dieser italienisierenden
Freskomalerei, die wie ein Rückstrom romani-
scher Elemente gegenüber der Durchsetzung der
oberitalienischen Gotik mit deutschem Wesen
erscheint.

Wo unser schwäbischer Wanderkünstler
vom Wellenschlag dieser Bewegung erfaßt wurde,
bleibt natürlich ungewiß. Erinnert man sich aber
der im Statutenbuche der Malerbruderschaft von
Padua gerade in den Jahren 1442 bis 1462 ver-
zeichneten deutschen Namen, die schon Eitelber-
ger nach Selvatico, Scritti d'arte, p. 9, erwähnt
hatte, sowie der im Venetianischen, in Ferrara
und anderwärts damals nachgewiesenen ultra-
montanen Künstlerkolonien,2 so wird auch ein
kurzer Aufenthalt Laibs in Oberitalien durchaus glaubhaft. Mit einem der zahlreichen Güterzüge, die
zwischen Venedig und Salzburg verkehrten, — der «Venedigerhandel» Salzburgs bildete eine Haupt-
quelle seines Wohlstandes3 — mag Laib zurückgereist sein und, dank seinem der dortigen Lokalmalerei
überlegenen Können, bald festen Fuß gefaßt haben in der Bischofsstadt. Daß sein Ruf aber über diese
hinausgedrungen ist, beweist eben die Grazer Tafel. Denn in Steiermark selbst gab es tüchtige Maler,
die für einen derartigen Auftrag in Betracht kamen. Von einem damals vielleicht nicht mehr am Leben
befindlichen Meister Hans von Judenburg, der 1421 ein Altarwerk für Bozen gearbeitet hatte, zu schwei-

ßig- 5-

C. Laib, Kreuzigung (Ausschnitt).
Graz, Domkirche.

1 v. Pückler-Limpurg, Kunstchronik 1901, Sp. 162 f.

2 Vgl. E. Müntz, Histoire de l'art pendant la renaissance, Paris 1?

3 Zillner, a. a. O. II, 307 ff.

9, I, 328 ff; II, 178 ff.
 
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