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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0085
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Altsalzburger Tafelbilder.

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eirunde Puppenantlitz von weicher Lieblichkeit, mit den kugelig-breiten, wie gedrechselten Formen, der-
selbe halb kindlich unschuldige, halb sentimentale Ausdruck. Wir geben zum Vergleich einen Ausschnitt
des aus Piding bei Reichenhall stammenden Exemplares im Münchner National-Museum (Saal XIII,
Nr. 17, Fig. 20). Auch anderwärts in Deutschland, zum Beispiel in Schlesien, kommen im XV. Jahr-
hunderte diese Kornähren-Madonnen vor, noch Dürer benutzt die Gestalt zu einer Randzeichnung im
Gebetbuche Maximilians, am verbreitetsten waren sie jedoch im bayerisch-österreichischen Alpengebiete.
In der alten Salzburger Erzdiözese war der Kult der «christlichen Ceres», wie J. N. Sepp in seinem
«Altbayerischen Sagenschatz» (München 1876, S. 618) die Auffassung erklärt hat, besonders zu Hause.
Maria ist in diesen Bildern als Tempeljungfrau, vor ihrer Vermählung mit Josef, dargestellt, eine hohe,
betende Figur, mit wallendem Haare, in einem blaugrünen, mit goldenen Weizenähren übersäten
Gewände. In derselben Tracht erscheint sie zu-
weilen auch in anderen Gemälden, als Kind
während des Tempelganges, als Gnadenmutter
in Schutzmantelbildern und als Mater gloriosa.
Ein vielverehrtes Wunderbild im Dome zu Mai-
land soll — nach der Inschrift auf einem ober-
deutschen Holzschnitt aus der Mitte des XV.
Jahrhunderts1 — den zahlreichen Wiederholun-
gen zu Grunde gelegen haben. In der Tat
deuten die großen, weichen Linien, die fron-
tale Feierlichkeit der Gestalt auf südliche Ab-
kunft.2

Von dieser merkt man der hausbackenen,
spießbürgerlichen Maria des Prager Bildes frei-
lich nichts mehr an. Die trockene Zeichnung,
die kaltklare, luftlose Farbengebung, das Ast-,
Prügel- und Wurzelwerk des spätgotischen Bal-
dachins über dem Betpult lassen, abgesehen
von der Holzart des Täfelchens, keinen Zweifel
aufkommen an seinem oberdeutschen Ursprung.
Die irrige Namengebung des Kataloges hat wohl Fig. 20. «Maria in Ähren» (Ausschnitt).

der landschaftliche Hintergrund veranlaßt, der München, Bayerisches Nationalmuseum.

schwerlich anders erklärt werden kann als

durch eine Bekanntschaft des Malers mit niederländischen Tafelbildern.

Durch das schmale gotische Fenster blickt man auf ein weit in die Ferne sich dehnendes Flußtal
mit bergigen Ufern. Der Reiz solcher Flußperspektiven, die Poesie solcher miniaturmäßig ausgemalter
Bildchen im Bilde ist ja zuerst Jan van Eyck aufgegangen. Auch bei einigen Figuren der Wiener
Kreuzigung denkt man an Niederländer, bei Josef von Arimathia an Dirick Bouts, bei der Frau, die
Maria stützt, an Roger. Solche vereinzelte Reflexe flandrischer Kunst reichen aber nicht aus, um einen
Einfluß derselben als bestimmenden Faktor in die Entwicklung des Großgmainers einzuführen, und
noch weniger, um ihm ausgesprochen niederdeutsche Arbeiten zuzueignen wie die beiden in der
Schleißheimer Galerie «Art des Meisters von Großgmain» benannten Bruchstücke eines Jüngsten
Gerichtes.3 .Bei seinem Hang zur Klein- und Feinmalerei kann es im Gegenteil überraschen, daß der
Meister von der behaglichen Schilderkunst der Vlamen keine nachhaltigere Anregung erfahren hat,
sondern auch in der Folge seiner landschaftlichen Sonderart treu geblieben ist.

1 W. L. Schreiber, Manuel de l'amateur, I. Berlin 1891, Nr. 1000.

2 Siehe Anhang III.

3 Nr. 93, 94. — Abb. in Knackfuß-Zimmermann, Allgm. Kunstgeschichte II, Bielefeld 1900, S. 420.
 
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