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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Aus der Werkstatt Bonifazios
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0098
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92

Franz Wickhoff.

wichtigste darunter ist die Darstellung der Tiere, woran so viel des Neuen ist. War auch von den vor-
geschichtlichen Zeiten an die treue Nachbildung der Tiere ein Lieblingsgegenstand, ja durch lange
Perioden hindurch der Hauptgegenstand der Kunst gewesen, so haben doch immer nur die charakte-
ristische Umrißbildung zur Sonderung der Gattungen und die scharf beobachteten Bewegungen das
Motiv für Nachbildung gegeben. Zur Nachbildung des Pelzes der Säugetiere, des Gefieders der Vögel
waren selbst in der Diadochenzeit nur schwache Anläufe gemacht worden. Erst dem augusteischen
Naturalismus gelangen diese Versuche, wurden im Impressionismus der Kaiserzeit fortgesetzt, ver-
schrumpften im Mittelalter, bis von der großen gotischen Kunst in Frankreich die alten Wege von
neuem begangen wurden. Da wurde zuerst wieder das allgemeine Aussehen der Tiere und ihre Be-
wegung nach dem zusammenfassenden Erinnerungsbilde wiedergegeben und darauf am Beginne des
XV. Jahrhunderts die Einzelnheiten der einzelnen Individuen erfaßt. Die Künstler des oberen Italien
hatten bei diesen Naturstudien tapfer mitgearbeitet. Pisanellos Name genügt, um auf die Art und
die Bedeutung dieser Tierbilder hinzuweisen, aber zugleich auch darauf, daß diese Vorwürfe am
Beginne des XV. Jahrhunderts größeres Interesse erregten als an seinem Ende. Als im XVI. Jahrhundert
durch Tizian eine neue Malerei hervorgerufen und durch sein Beispiel ausgebreitet war, die auf eine
impressionistische Technik hinarbeitete, war die Tierdarstellung wieder ein Problem geworden, das
neu zu lösen war. Es war ein spezifisch venezianisches Problem.

Da könnte man nun einwerfen, daß um das Jahr 1530 auch Giulio Romano begann, im modernen
Stile Katzen zu malen. Auch das kam von Venedig. Bei der Ausbildung des Porträts durch Tizian
und Sebastian war die reiche Tracht ein Hauptvorwurf der Malerei geworden. Samt und Seide wur-
den nicht mehr in treulicher Nachbildung ihrer Musterung sondern mit breitem Pinsel in ihrer Licht-
wirkung wiedergegeben. Nicht weniger gelang die Bewältigung des Pelzwerkes. Sebastians Pelzröcke
sind glänzende Leistungen. Sie boten Raffael und Giulio ein Muster. Giulio bildete in diesem
venezianischen Stile auch lebende Tiere nach. Er fand keine Nachfolge und kam auch später selbst
nicht mehr auf diese Aufgabe seiner Jugend zurück. Bei aller Trefflichkeit lassen sich seine Katzen
den Tieren auf unserem Bilde nicht an die Seite stellen.

In Venedig hingegen bildete sich die Darstellung der Tiere zu einer Gattung heraus. Jacopo
Bassano hat seine Bilder mit Tieren gefüllt und für lange Zeit nicht zu übertreffende Muster für ganz
Europa geliefert. Selbst die vollendeten Tiere aus Tizia n s mittlerer Zeit sind unter der Rückwirkung von
Bassanos Entwicklung entstanden. DerTiermaler des Madrider Bildes ist kein Nachahmer. Die Köpfe
des weißen, gelbgefleckten Wachtelhündchens und des toten Zickleins, die Taf. XX und Fig. 2 wieder-
geben, den ersten in natürlicher Größe, zeigen das zur Genüge. Die breite Meisterschaft, die doch liebens-
würdiges Eingehen in Details nicht vermissen läßt, zeigen eine neue Kunst, der bis zu den Nieder-
ländern des XVII. Jahrhunderts wenig gleichkommt, und auch von diesen lassen sich nur die ersten
zum Vergleich heranziehen. Wie hier mit verblüffender Sicherheit das Charakteristische von Augen,
Haut und Haaren wiedergegeben ist, fordert auf, den Maßstab absoluter Vortrefflichkeit anzulegen, so
gefährlich dieser Maßstab zuweilen sein kann, weil er, besonders bei idealen Bildungen, zu oft von dem
betrachtenden Subjekt und nicht von dem Gegenstande der Betrachtung genommen wird. Diese Tiere
sind von einem der größten Tiermaler aller Zeiten gemalt, jedenfalls war es der größte dieser Zeit,
das ist Jacopo Bassano.

Es würde schlimm um diese Bestimmung aussehen, wenn sie von diesem absoluten Maßstabe ab-
hinge. Carlo Ridolfi, der Bassanos Biographie sechsundfünfzig Jahre nach dem Tode des Meisters
herausgab, der Bassanos Söhne persönlich gekannt hat, also gut unterrichtet sein konnte und sich auch
sonst in den Biographien des Vaters und der Söhne gut unterrichtet zeigt, berichtet, daß JacopodaPonte,
der Bassano nach seiner Geburtsstadt genannt wurde, dort zuerst von seinem Vater Francesco, einem
geborenen Vicentiner, unterrichtet, dann aber von dem Vater nach Venedig gebracht wurde, wo er in
die Werkstatt Bonifazios eintrat.1 Im Jahre 1531 war er schon wieder in seiner Heimat, wo er sich

1 Carlo Ridolfi, le maraviglie dell'arte, Venetia 1648, Parte I, p. 374.
 
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