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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Premerstein, Anton von: Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0128
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122

Anton von Premerstein.

eine mit einem vorspringenden Zapfen (xöXo; gleich apex) versehene Kopfbedeckung. Das xpoxöXwpia
wird neben dem Xüpo; als Attribut der iMtrpixfa i^ws-ri] bezeugt.1

Der auf ein Postament gestellte vergoldete Prunksessel, welchen Iuliana einnimmt, zeigt eine
wesentlich andere Struktur als die konsularische sella curulis, die auch in dieser Zeit noch trotz der
Uberladung mit Ornamenten stets die Grundform eines tragbaren Klappstuhles erkennen läßt2 und
als magistratischer Amtssessel nur Mannern zukam. Was wir hier sehen, ist daher kein Amts-, sondern
ein Ehrensessel, der ebensogut auch von Frauen benützt werden konnte, die patricia sedes (icaTpbua;
Opovic),3 die nach der Uberlieferung mit einem Podium (suggestus)* versehen war. Die beiden Adler,
welche die Vorderfuße des Sessels bilden, mögen darauf hinweisen, daß nach damals noch lebendiger
Tradition patriciorum familia Iovi noscitur fuisse dicata.5 Die Meßgefäße vordem Throne könnten,
wenn sie als solche richtig erkannt sind, auf Getreidespenden hinweisen,6 welche Iuliana bei ihrer
Ernennung zur Patricia oder bei einem anderen festlichen Anlasse — man möchte am ehesten an die
Einweihung der Kirche von Honoratae denken 7 -— dem Volke der Hauptstadt zukommen ließ. Ihrem
hohen Range entspricht die Adoration (icpooxüvYjsri?) in knieender Stellung,8 durch welche die «Dank-
sagung der Künste» der Gönnerin ihre Verehrung bezeugt. Schließlich mag in diesem Zusammenhange
nicht unerwähnt bleiben, daß akrostichische Gedichtchen, wie das vorliegende auf den Namen
IouXtflJva, noch in späterer Zeit zu den durch die Hofetikette vorgesehenen Aufmerksamkeiten gehörten,
mit welchen außer Heiligen und Kaisern besonders Patrizier — anläßlich ihrer Promotion — bedacht
wurden.9

V.

Mit Hilfe des neu gewonnenen Materiales darf nun wohl eine Deutung und Verwertung des
Iuliana-Bildes als Ganzen versucht werden. Iuliana soll — dies scheint mir der letzte Sinn der Miniatur
zu sein ■— mit allen ihren Ruhmestiteln verherrlicht werden, als Trägerin hohen Ranges und
vornehmer Geistesgaben, wie als Gönnerin der bauenden und bildenden Künste, im besonderen der
Buchmalerei. Es ist ein gemalter Panegyrikus auf diese Vorzüge, welchen das Akrostichon ergänzt
und erläutert. Ein Sproß des Hauses der Anicier, wie das Gedicht rühmt, besitzt sie den höchsten
Adel des Ostreiches, den Patriziat, mit dessen Insignien sie der Künstler ausgestattet hat. Mit ihren
Schätzen freigebig schaltende Großmut (ij.f/jj.vW/j.y), die als \i.t'{v~LZ'Vs/yx 'Avixyj(o[v] in dem Akrostich

1 Konstantinos Porph. de cerim. I, 50 (oben, S. 120, Anm. 12). Nach Konstantinos I, append. 15 (p. 288 R.) trug der
Sohn des Kaisers Basilius im Jahre 879 zu seiner Prunkrüstung auf dem Kopfe tpaxto'Xtov otx.rjv nporoÄwjjiaTo; Xsux&v xpuao'j-
tpavtov; dazu Reiskes Kommentar (Migne, Patr.gr. CXII, c. 948 ff., Anm. 28).

2 W. Meyer, a. a. O., S. 18.

3 K. Athalarich bei Cassiodor var. VIII, 9, 3 (zum Jahre 526): ideo te ... suggestu praesentalis patriciatus evehimus,
ut pro re publica yiostra tractantem sedes celsa sublimet; Georgios Kedrenos II, p. 467 ed. Bonn. (Migne, Patr. gr.
CXXII, c. 200 B) zum Jahre 6526 der Welt (1017 n. Chr.): tov Kpaxpäv e; tov rarcptxiov Bpo'vov avaßißora{. Vgl. Stückelberg,
a. a. O., S. 63. Die inl(ustris) patricia sedes (De Rossi, lnscript. Christ. I, n. 751 vom Jahre 450; vgl. Marini, Papyri, p. 258)
erklärt Mommsen, Neues Archiv XIV, S. 484, Anm. 4, als Umschreibung für die römische Stadtpräfektur. Über die Kathedra
des Protopatrikios (im Senat zu Konstantinopel) Malchus, Hist. gr. fragmenta IV, p. ii3; dazu Stückelberg, S. 3o f.

4 Der suggestus patriciatus erscheint als Bezeichnung für die Patrizierwürde bei Cassiodor var. I, 4, 3 (um das Jahr
507); VIII, 9,3 (oben, S. 122, Anm. 3); VIII, 22, 4.

3 So die formula patriciatus bei Cassiodor var. VI, 2, 1.

6 Eine Statue des Patriziers Eleutherios mit Tttio; und zo'yivo; als Attribut bei Georgios Kodinos, de aedificiis, p. 104
(Migne, Patr. gr. CLVII, c. 584).

' Leo Grammaticus, p. 472, über die Konsekration der Marienkirche zu Pharos: toü ßaaiXjco; (Kaiser Basilius) sv t£>
ajtrj; ävaxamsjuö Xwpov cpopeaavco; xai ypr^aTO! koWx So'vto;.

8 Über die Adoration einiges bei Reiske, a. a. O. (Migne, c. 755 ff., Anm. 39; c. 921, Anm. 83); C. Sittl, Die Gebärden
der Griechen und Römer, S. 160 f. Der Artikel O. Seecks in Pauly-Wissowas Real-Encyklopädie I, Sp. 400 f., berücksichtigt
nur die den Kaisern erwiesene Adoration.

* Konstantinos Porph. de cerim. I, 47, 2, p. l3gR. (Migne, Patr. gr. CXII, c. 493 B): eöclpx<»VTat xa jilpj] (die Zirkus-
parteien) xai TOiouji ri jtoir^aTa toü itpoßaXXojiivou xa-ua tb o'vo[ia; vgl. ebd. § 3, p. 140 R. (Migne, c. 497 Bf.): 6 o^jjiapyo;
. . . Xeywv xai Ta jtoi^fiotTa aurwv. Dazu Reiske, a. a. O. (Migne, c. 493 f., Anm. 64).
 
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