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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Über einige Antiken Ghibertis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0143
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Über einige Antiken Ghibertis.

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noch unzulänglicher, der hinter ihr stehende dienende Knabe. Noch deutlicher ist der erotische
Charakter in dem Exemplar Granvellas; das alte Inventar spricht unumwunden von «deux figurines
d'homme et de femme nudz s'embrassant». Dergleichen bringt uns jene nicht eben seltenen und
der Renaissance sicher wohlbekannten Symplegmata der Antike in Erinnerung, wie sie auf helleni-
stischen Bildwerken (Schreiber, Hellenistische Reliefbilder, Taf. LX, aus der Sammlung Baracco) oder
auf einem kleinen aus Pompei stammenden Relief im Gabinetto osceno des Neapler Museums, vor allem

aber auf den aretinischen Terra sigillata-Gefaßen sich finden. Das Museum von Arezzo bewahrt noch
hunderte von Scheiben und Modeln, die alle das gleiche mit der Freiheit und Frechheit römischer
Romane geschilderte Motiv vorführen, wie denn die mit Vorliebe gewählte Situation an eine der
gewagtesten Stellen im Goldenen Esel des Apulejus mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit
anklingt. Etwas der Art konnte das Exemplar Granvellas gewesen sein. Es wäre ferner nicht un-
möglich, daß Ghiberti, dem wir ja wohl die Vaterschaft bei der Benennung des Letto zuschieben dürfen,
durch die Beschäftigung mit Plinius und durch die von dem alten Autor geschilderten «Symplegmata
nobilia» des Kephisodot und Heliodor (H. N. 34, 80 und 36, 35) auf die Idee gekommen wäre, in
seinem Relief ein solches Symplegma seines Lieblingskünstlers zu entdecken.

Es ist sattsam bekannt, wie gerne die Phantasie des Südländers mit solchen Dingen spielt; in
jüngster Zeit hat der neue Brunnen beim Thermenmuseum in Rom sich recht bedenkliche Aus-
legungen gefallen lassen müssen, die sogar zu einem kleinen Skandal Anlaß gaben. Gleichwohl wird
man zugeben können, daß die kräftige, offene und witzfrohe Sinnlichkeit, wie sie die altitalie-
nische Novelle oder Macchiavellis Mandragola durchzieht, gleich weit von der schmutzigen Zote des
Nordens wie von der abstrusen Sachlichkeit sich entfernt hält, die Orientalen auf dergleichen Dinge
verschwenden. Es wird genügen, an Rabelais und noch mehr an deutsche Fastnachtsspiele zu erinnern
oder an gewisse Scherze, die man den vornehmsten Frauen im Ambraser Bacchusheiligtume zu
kredenzen wagte, echte Zoten, die nur durch ihre bäurische Ehrlichkeit und Herzhaftigkeit einiger-
maßen erträglich werden.

I

Fig. 2. Verfälschtes Relief aus Rhodos.
Wien, kais. Antikcnsammlung.
 
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