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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0052
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Heinrich Röttinger.

so besser stimmt all das zu Breus Werken. Der Typus des Engels entspricht dem der Wiener Madonna
von 1523; für seine Gesamterscheinung ziehe man den Verkündigungsengel des Innsbrucker Altares
heran. Auch Augen, Augenbrauen, Mund und Kinn der Jungfrau decken sich mit den entsprechenden
Zügen der Wiener Maria. Auffallend ist nur die lange spitze Nase, die aber sofort verständlich wird,
wenn man den Kopf der Hamburger Madonna neben irgendeinen jugendlichen Kopf lionardesken Stiles
hält, z. B. neben den der Madonna oder des Engels auf der Londoner Madonna in der Grotte. Ganz
Breuisch ist die Wiedergabe der Haare mit den gehöhten Lichtern, die Halbfigur Gottes, die Architektur
der Färbung und den Details nach (vgl. die Kapitale an den kleinen Orgelflügeln), die Behandlung der
Falten, das Kolorit. Das Kleid des Engels ist weiß, der Ärmelbesatz meergrün, sein grüngefütterter
Mantel schillert zwischen Pfirsichrot und Weiß. Maria trägt einen dunkelgrünen Mantel, ihr Kleid ist
eine Nuance lichter. Doch fallen die Farben etwas auseinander; die Lasur, die sie einstmals zusammen-
gehalten haben wird, scheint im Atelier des Restaurators zurückgeblieben zu sein. Die Datierung, die
das Bild in dasselbe Jahr versetzt, in dem die Kaufmannsche Madonna entstanden ist, mag ursprüng-
lich sein, wenn auch die Formgebung dieser ferner steht als der der Wiener Madonna von 1523. Die
Signatur jedoch ist keinesfalls echt.

Das letzte Bild, das ich Breu zuzuschreiben habe, befindet sich im östlichen Arme des Kreuzganges
von St. Anna in Augsburg und hat die Auferstehung Christi zum Gegenstande (Fig. 7). Es ist auf
Holz gemalt, mißt etwa 170 cm in der Höhe vom Scheitel des Giebels ab, den die Tafel dem Spitz-
bogen, in dem sie hängt, entsprechend zeigt, und 140 cm in der Breite. Es ist eine der beliebten nach
Dürers Schnitt B. 15 entworfenen Darstellungen und gehört speziell jener Familie dieser Art an, die im
Mittelgrunde Christum als Gärtner und den Gang nach Emaus zeigt. Der auferstehende Heiland ist
ziemlich getreu aus dem Schnitte herübergenommen, die beiden auf den Sarkophag sich stützenden
Wächter im einzelnen stark verändert, die beiden anderen frei erfunden. Der Christus der Tafel ent-
spricht in seiner flachen Körpermodellierung dem des rechten der großen Orgelflügel, steht jedoch er-
heblich hinter dem gleichfalls von Dürers Schnitt abhängigen des Meitingschen Epitaphs zurück. In den
beiden zuerst zitierten möchte ich die Spuren eines Gehilfen erkennen, dessen Beteiligung am Epitaph des
Kreuzganges die untergeordnete Bedeutung der Bestellung, am Flügel die kolossalen Dimensionen wahr-
scheinlich machen. Am Faltenwurfe des Mantels des auferstehenden Christus, des Heilands als Gärtner
und der Wanderer von Emaus kehren die an den großen Flügeln zu beobachtenden Bildungen wieder.
Die Engelchen gleichen den Knaben der kleinen Orgelflügel und dem zweiten Engel zur Rechten Christi
auf dem Meitingschen Epitaph. Den Typus des aufblickenden Wächters finden wir an einigen der Brü-
der der Münchener Lucretia wieder, der schlafende Wächter rechts sieht wie der Moses des Meitingschen
Epitaphs aus. Den Baumschlag hinter dem Grabe Christi vergleiche man mit dem der Innsbrucker Drei-
königstafel. Ein Urteil über das Kolorit läßt die von den Unbilden des Wetters hart mitgenommene
Tafel nicht recht zu. Die starke Verwendung von Gelb ist bezeichnend für Breu. Die Ähnlichkeit des
Heilands mit dem der großen Orgel rät, auch wenn oder eben weil sich in ihnen die Hand eines be-
stimmten Gehilfen bemerkbar macht, die Bilder auch im Werke des Meisters einander zu gesellen. Offen-
bar hat nach der Vollendung der Fuggerkapelle, aber vor Aufstellung des Meitingschen Epitaphs ein
Angehöriger der Pfarre den Meister auch für sein Gedächtnis verpflichtet. Wer der Besteller war, ist un-
bekannt. Keinesfalls der zu Füßen des Bildes begrabene, erst 1565 verstorbene Christoph Thenn von
Salzburg.1

1 Ich lasse eine Zusammenstellung der nunmehr bekannten Gemälde Breus in chronologischer Anordnung folgen :

1501. Altar im Museum des Stiftes Herzogenburg. Signiert und datiert.

Gegen 1510. Altar im Ferdinandeum in Innsbruck; eine Tafel im Hofmuseum in Wien.

1512. Maria mit Heiligen in der Berliner Galerie. Signiert und datiert.

Nach 1515. Samson schlägt die Philister. Basel, Öffentliche Kunstsammlung.

Um 1517. Die kleinen Orgelflügel von St. Anna in Augsburg. 1512 datiert.

1518. Anbetung der Könige in der Hospitalskirche in Koblenz. Signiert und datiert.

Um 1519. Die heil. Anna selbdritt. Frankfurt, Städtisches historisches Museum.
 
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